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7. Okt. 2025 | 13 Minuten zu lesen
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US classic car

Die Weltwirtschaft befindet sich im Wandel. Zinssenkungen, Verschiebungen in Handelsbilanzen und strukturelle Ungleichgewichte prägen das aktuelle Marktumfeld. Während die Fed die Zinsen lockert und Schwellenländer an Stärke gewinnen, zeigt sich die Eurozone stabil. Doch wie nachhaltig ist diese neue Balance der globalen Märkte?

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Durch schwächere Daten steuern

Im September prallten unerwartet schwache US-Arbeitsmarktdaten auf eine beharrliche Inflation. Fixiert auf die Beschäftigung preisten die Märkte eine Neukalibrierung der US-Geldpolitik ein.

Der Monat trägt traditionell die Last des „September-Effekts“, einer historischen Tendenz zu schwächerer Aktienperformance – möglicherweise, weil Anleger nach der Sommerpause ihre Portfolios neu ausbalancieren.

Diesmal lief der Motor jedoch geschmeidiger: Aktien legten zu, angeführt von den USA und den Schwellenländern. Auch Anleihen gewannen, wobei die Renditen von US-Staatsanleihen fielen und sich die Renditeaufschläge leicht verengten. Rohstoffe reihten sich ein, als Gold die Marke von USD 3.800 pro Unze durchbrach.

Ironischerweise waren es gerade die schwachen Daten, die den Anstieg stützten. Auf den enttäuschenden US-Arbeitsmarktbericht für Juli folgte ein noch schwächerer August. Die Zahl der Beschäftigten legte nur um 22.000 zu, statt der erwarteten 75.000. Zudem zeigten nach unten revidierte Zahlen, dass in den zwölf Monaten bis März 911.000 Stellen weniger geschaffen wurden als zunächst geschätzt. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosenquote auf 4,3 %.

Die US-Notenbank Fed senkte die Zinsen um 25 Basispunkte (Bp.). Fed-Gouverneur Stephen Miran – von US-Präsident Donald Trump ernannt und erst einen Tag vor dem Zinsentscheid vereidigt – war der einzige Gegenstimmer. Er plädierte für eine kräftigere Senkung um 50 Bp.

Im weiteren Verlauf dürfte sich das globale Wachstum verbessern. Einerseits wird die Geldpolitik zunehmend unterstützend, andererseits schlagen die Effekte früherer Zinssenkungen weiterhin in der Realwirtschaft durch. Insbesondere in den USA sind in absehbarer Zeit weitere Zinssenkungen eingepreist. Auch fiskalische Impulse zeichnen sich ab. Neben dem „Big, Beautiful Bill“ in den USA sieht die Multi Asset Boutique auch in Europa und China Potenzial für weitere Konjunkturmaßnahmen.

Im Hinblick auf die Zwischenwahlen im November 2026 dürfte die Trump-Regierung eine noch ausgeprägtere „wachstumsorientierte“ Haltung einnehmen.

Aus dem Gleichgewicht

Eines der dominierenden Themen in der heutigen Weltwirtschaft ist das Ungleichgewicht – sei es im Handel, im Konsum, in der Fiskalpolitik, bei Investitionen oder in Bezug auf Währungen. Solche Verzerrungen können die nationale Stabilität untergraben und grenzüberschreitende Folgen haben, was die globale Wirtschaft belasten kann.

Auf einer Veranstaltung des Institute of International Finance Anfang dieses Jahres, an der Finanzminister und Zentralbanker aus aller Welt teilnahmen, warnte US-Finanzminister Scott Bessent, dass die Bretton-Woods-Institutionen – also der Internationale Währungsfonds und die Weltbank – von ihrer ursprünglichen Mission abgerückt seien. „Ihr Ziel war es, das Gleichgewicht wiederherzustellen und zu bewahren. Dies ist auch heute noch das Ziel der Bretton-Woods-Institutionen. Doch überall, wo man im internationalen Wirtschaftssystem derzeit hinschaut, herrscht ein Ungleichgewicht.“

Dies dürfte eine berechtigte Einschätzung sein. Das gegenwärtige Wirtschaftsumfeld wird durch eine Reihe globaler Ungleichgewichte beeinflusst. Eines der wichtigsten betrifft die Komponente der „Nettoexporte“ in der Formel für das Bruttoinlandsprodukt (BIP):
BIP = Konsumausgaben + Staatsausgaben + Nettoexporte + Gesamtinvestitionen.

Die Nettoexporte entsprechen der Differenz zwischen dem Gesamtwert der Waren und Dienstleistungen, die ein Land exportiert, und dem Gesamtwert seiner Importe. Bei einem positiven Nettoexportwert – auch Handelsüberschuss genannt – verkauft ein Land mehr ins Ausland, als es einkauft, wodurch mehr Geld in die Wirtschaft fließt. Bei einem negativen Wert – auch Handelsdefizit genannt – ist das Gegenteil der Fall: Das Land kauft mehr aus dem Ausland, als es selbst verkauft, wodurch mehr Geld aus der Wirtschaft abfließt. Nettoexporte sind eine wichtige Kennzahl für die Handelsbilanz und finanzielle Ausgewogenheit eines Landes. Sie spielen eine bedeutende Rolle bei der Steuerung der Gesamtnachfrage und der allgemeinen wirtschaftlichen Stabilität.

Abgesehen vom Ersten Weltkrieg war der Welthandel noch nie so stark aus dem Gleichgewicht wie im 21. Jahrhundert (siehe Grafik). Länder wie Deutschland, Japan und China verzeichnen beträchtliche Handelsüberschüsse und sind stark von der Auslandsnachfrage abhängig, um ihr Binnenwachstum anzukurbeln. Demgegenüber weisen Volkswirtschaften wie die USA, Indien und Großbritannien chronische Handelsdefizite auf und fungieren gewissermaßen als Konsumenten der letzten Instanz für globale Güter.

Diese Ungleichgewichte in der Handelsbilanz führen zu einer erhöhten Verwundbarkeit. Länder mit einem Handelsüberschuss sind durch ihre übermäßige Abhängigkeit von Exporten anfällig für Nachfrageschocks im Ausland. Länder mit einem Handelsdefizit sind durch die stetige Abhängigkeit von Importgütern mit einer Aushöhlung ihrer heimischen Industrie und einer zunehmenden Einkommensungleichheit aufgrund der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland konfrontiert. Über die wirtschaftliche Dimension hinaus hat die Abhängigkeit von importierten kritischen Mineralien, wie sie beispielsweise in der Halbleiterproduktion verwendet werden, auch zu Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit geführt.

Im Hinblick auf die Aushöhlung der heimischen Industriebasis werden auch beträchtliche Ungleichgewichte in der globalen Fertigungsindustrie offenkundig. Seit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation im Jahr 2001 hat China seine Dominanz in der Wertschöpfungskette der Fertigungsindustrie gefestigt und war 2023 für fast 30 % der weltweiten Fertigungsproduktion verantwortlich. Der Anteil der USA ist dagegen von über 25 % zu Beginn der 2000er Jahre auf etwa 17 % zurückgegangen. Es überrascht daher nicht, dass Präsident Trump seinen Unmut über die Deindustrialisierung des Landes zum Ausdruck gebracht hat und großes Interesse daran zeigt, Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe zurück in die USA zu holen.

Ein weiteres Ungleichgewicht ist im Privatkonsum zu finden. So geben die US-Konsumenten viel Geld aus, was sich nicht nur in der Binnenwirtschaft zeigt, wo die Ausgaben der privaten Haushalte etwa zwei Drittel des US-BIP ausmachen, sondern auch im Vergleich zu anderen Ländern (siehe Grafik). Diese hohen Ausgaben stehen einer relativ niedrigen Sparquote gegenüber. Die Lage in China ist hingegen gerade umgekehrt. Die chinesischen Haushalte sparen auf hohem Niveau, wobei die nationale Sparquote im Jahr 2023 40 % des BIP (siehe Grafik) überstieg und damit weit über dem globalen Durchschnitt liegt.

Doch in den USA sind nicht nur die Konsumenten kauffreudig. Auch die US-Regierung gibt weiterhin deutlich mehr aus, als sie einnimmt, und treibt damit die Staatsverschuldung auf ein noch nie dagewesenes Niveau. Hier kommen fiskalische Ungleichgewichte – insbesondere Haushaltsdefizite – ins Spiel. Im Januar prognostizierte das Congressional Budget Office, dass das staatliche Haushaltsdefizit in diesem Jahr USD 1,9 Billionen erreichen und die Staatsverschuldung bis 2035 auf 118 % des BIP steigen wird.

Solche Ungleichgewichte schaffen auch Verwundbarkeiten. Eine hohe Staatsverschuldung kann zur Verdrängung privater Investitionen und zu höheren Kreditkosten führen. Schon jetzt zählen die US-Schuldzinsen zu den größten Posten im Bundeshaushalt. Zudem können diese globale Auswirkungen haben und die Zinssätze sowie das Vertrauen der Anleger weltweit beeinflussen. Haushaltsungleichgewichte findet man indes auch anderswo – viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union stehen vor ähnlichen Herausforderungen.

Kommen wir zu den Ungleichgewichten im Bereich der Investitionen. Hierbei bezieht sich „Investition“ nicht unbedingt auf das, was einzelne Konsumenten in die Finanzmärkte stecken, sondern vielmehr auf das, was die Gesamtwirtschaft in Produktionskapazitäten investiert. Eine gängige Messgröße ist die Bruttokapitalbildung, ausgedrückt als Prozentsatz des BIP. Nach Angaben der Weltbank (2023) übersteigt diese in China 41 % des BIP und liegt damit deutlich über den Werten anderer Schwellenländer (Indien: 33 %) und Industriestaaten (Schweiz: 26 %, USA und Deutschland: 22 %, Großbritannien: 17 %).

Währungsungleichgewichte an den Devisenmärkten sind ein weiterer Grund zur Besorgnis. Ist die Währung eines Landes im Vergleich zu anderen über- oder unterbewertet, kann dies zu Verzerrungen der Handelsströme und Investitionsmuster führen. Eine unterbewertete Währung kann beispielsweise bewirken, dass Exporte billiger und Importe teurer werden, was dem Land einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschafft. Währungsungleichgewichte erschweren auch die Geldpolitik, da die Zentralbanken zwischen der Stabilisierung der Wechselkurse und der Verfolgung binnenwirtschaftlicher Ziele abwägen müssen.

Asiatische Volkswirtschaften wurden schon oft beschuldigt, ihre Währungen künstlich schwach zu halten. Das US-Finanzministerium hat China im Jahr 2019 und Vietnam im Jahr 2020 offiziell als Währungsmanipulatoren bezeichnet. Japan wurde in den letzten Jahren zwar nicht als solcher klassifiziert, doch seine Geldpolitik, wie etwa die quantitative Lockerung der Bank of Japan, wurde gelegentlich dafür kritisiert, den Yen indirekt zu schwächen. Solche Vorwürfe sind nicht nur auf Asien beschränkt. Die Schweiz, die seit 2016 auf der Beobachtungsliste des US-Finanzministeriums steht, wurde 2020 offiziell als Währungsmanipulator eingestuft. Auf der anderen Seite des Spektrums befinden sich die USA. Dort liegt die Überbewertung des US-Dollars weiterhin nahe dem Niveau, das zuletzt nach dem Plaza-Abkommen in den 1980er Jahren erreicht wurde.

Nicht zuletzt hat das Wiederaufflammen protektionistischer Maßnahmen in den letzten Jahren die globale Wirtschaftssituation weiter verkompliziert. Protektionismus kann viele Formen annehmen: die Subventionen und der erzwungene Technologietransfer in China, die Anti-Dumping-Maßnahmen und strengen Regulierungsstandards der Europäischen Union oder die hohen landwirtschaftlichen Einfuhrzölle der Schweiz, um nur einige zu nennen.

Globale Ungleichgewicht US Konsum
Globale Handelsungleichheit CN Konsum

Wie könnte also (zumindest in der Theorie) das Gleichgewicht wiederhergestellt werden?

Wenn eine Volkswirtschaft mehr konsumiert als sie investiert, muss sie die Lücke durch Importe schließen. Wenn sie umgekehrt weniger konsumiert als investiert, muss sie den Überschuss exportieren. Im Grunde bedeutet dies: Sobald Konsum und Investitionen (einschließlich Fertigung) wieder ein normales Niveau erreichen, normalisiert sich auch die Handelsbilanz bzw. kommt wieder ins Gleichgewicht. Für die konsumorientierte US-Wirtschaft würde dies bedeuten, dass sie sich neu ausrichten muss, um die übermäßige Binnennachfrage zu reduzieren.

Gleichzeitig müsste eine stärkere globale Nachfrage angeregt werden, insbesondere in Europa, China und Japan. Das zu erreichen, ist leichter gesagt als getan. Sowohl globale als auch länderspezifische Hürden erschweren den Prozess. Im Hinblick auf die globalen Herausforderungen liegt nur ein schmaler Grat zwischen der Wiederherstellung des Gleichgewichts und dem Risiko, die Wirtschaft in einen chaotischen Zustand des Protektionismus und der Deglobalisierung zu kippen.

Für die USA stellen sich drei landesspezifische Herausforderungen:

Förderung inländischer Investitionen,
Reduzierung des Haushaltsdefizits und
Eindämmung des übermäßigen Konsums.
Um inländische Investitionen zu fördern, genügt es nicht, die Handelspartner dazu zu drängen, „in Amerika zu produzieren“. Das Multi Asset Team ist der Auffassung, dass die USA im Gegenzug auch ihre eigene Infrastruktur modernisieren und ausbauen müssen.

Beim Abbau des Haushaltsdefizits leistet der Handelskrieg zumindest bis zu einem gewissen Grad einen Beitrag. Laut Finanzministerium verringerte sich das US-Haushaltsdefizit im August um USD 35 Milliarden (ein Rückgang von 9 % im Vorjahresvergleich), da die unter Trump verhängten Zölle die Nettozolleinnahmen um rund USD 22,5 Milliarden erhöhten.

Höhere Zölle allein dürften dennoch nicht ausreichen, um die Haushaltsprobleme der USA zu lösen. Wie die USA ihren übermäßigen Konsum eindämmen wollen, bleibt weiterhin offen (höhere Zölle könnten hierbei ein bisschen helfen, da sie wie eine Steuer für die Konsumenten wirken).

Derweil steht China vor der gewaltigen Herausforderung, Überinvestitionen und Überkapazitäten abzubauen, ohne seine Wirtschaft allzu arg zu strapazieren – insbesondere im Immobiliensektor. Der einst als „größte Anlageklasse der Welt“ bezeichnete Immobilienmarkt Chinas befindet sich seit fünf Jahren in einer Abwärtsspirale, ohne dass eine echte Kehrtwende in Sicht wäre. Die chinesischen Entscheidungsträger sind zurückhaltend, moralisches Fehlverhalten zu begünstigen (d. h. verschuldete Immobilienentwickler dazu zu ermutigen, noch mehr Risiken einzugehen, indem sie sich auf staatliche Rettungsmaßnahmen verlassen), obwohl sie immer wieder intervenieren, um dem Sektor unter die Arme zu greifen, da sie keinen unkontrollierten Zusammenbruch des Immobilienmarktes riskieren wollen.

Auch die chinesische Automobilindustrie hat mit den Herausforderungen einer Überinvestition zu kämpfen. Wie Bloomberg berichtete, lag 2025 mehr als die Hälfte der Produktionskapazitäten des Landes brach (siehe Grafik). Ähnliche Probleme plagen die Solarindustrie, wo Unternehmen im vergangenen Jahr fast ein Drittel ihrer Belegschaft entlassen haben, da die Verluste in der gesamten Wertschöpfungskette der Fertigung USD 40 Milliarden erreichten (siehe Grafik).

China hat kürzlich erste Schritte unternommen, um diese Probleme anzugehen. Im Rahmen der sogenannten „Anti-Involution“-Kampagne haben sich chinesische Politiker verpflichtet, aggressive Überkapazitäten und die daraus entstehenden Preiskriege unter den Herstellern einzudämmen.

Die chinesischen Haushalte davon zu überzeugen, weniger zu sparen und mehr auszugeben, stellt eine weitere große Hürde dar. Ursache hierfür ist nicht nur die Lage am Immobilienmarkt, wo relativ wohlhabende Chinesen stark in Immobilien investiert haben, um Vermögen aufzubauen, sondern auch die Situation am Arbeitsmarkt. Die Jugendarbeitslosigkeit stieg im Juli auf 17,8 %, was die Einkommensunsicherheit verschärfte und die Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit des sozialen Sicherheitsnetzes in China schürte. Um den Binnenkonsum anzukurbeln, muss China möglicherweise eine Art System zum wiederholten Einkommenstransfer von höheren zu niedrigeren Einkommensklassen einführen (siehe Grafik).

Chinas „letzte verbleibende Herausforderung“ ist die Aufgabe seiner strengen Währungspolitik. Trotz jahrelanger Versprechen, dem Markt mehr Einfluss auf den Yuan zu gewähren, greift die People’s Bank of China weiterhin in den Devisenmarkt ein. Obwohl der Wechselkurs des Yuan etwas volatiler geworden ist, da China seinen Griff leicht gelockert hat, bleibt das zugrunde liegende System streng kontrolliert.

Die größte Herausforderung für die Eurozone besteht unterdessen darin, ihre beharrliche Zurückhaltung bei Investitionen zu überwinden. In der Praxis lässt sich dies anhand der Nettoanlageinvestitionen in Prozent des BIP messen. Vor der weltweiten Finanzkrise entsprach der Investitionsanteil der Eurozone mit 6 bis 8 % des BIP in etwa dem der USA. Die Finanzkrise dämpfte jedoch die Investitionsbereitschaft europäischer Unternehmen.

Bis 2024 war der Anteil der Eurozone auf rund 3 % gefallen, während die USA sich auf fast 6 % erholt hatten – immer noch unter dem Niveau vor der Finanzkrise, aber fast doppelt so hoch wie in Europa (siehe Grafik).

Neuausrichtung wahrscheinlich, aber Ausmaß und Zeitpunkt ungewiss

Das Fazit? Das heutige internationale Wirtschaftssystem weist erhebliche Ungleichgewichte auf (siehe Grafik). Sind diese zu stark ausgeprägt, können sie die wirtschaftliche Stabilität gefährden (z. B. übermäßiger Konsum in den USA, übermäßige Subventionen in China und zu geringe Investitionen in Europa).

Im Laufe der Zeit werden sich diese Ungleichgewichte zwangsläufig verringern – zum Teil aus der Not heraus. Die USA beispielsweise verfügen im Vergleich zu anderen Regionen nur über begrenzte fiskalische Möglichkeiten, um ihre Wirtschaft anzukurbeln.

Die derzeitige US-Regierung versucht zwar, diese Ungleichgewichte in den Griff zu bekommen, sollte dabei jedoch vorsichtig vorgehen, da zu aggressive Handelsbarrieren nicht nur das Wirtschaftswachstum im eigenen Land, sondern auch die Weltwirtschaft gefährden könnten.

Andernorts führen Regierungen innenpolitische Maßnahmen ein, um die Wiederherstellung des Gleichgewichts zu unterstützen, doch dieser Anpassungsprozess dürfte wohl schrittweise erfolgen. Die Wiederherstellung des Gleichgewichts in der Weltwirtschaft ist möglich, kann jedoch nicht über Nacht geschehen.

CN Konsum

Von der Bremse

Die US-Notenbank Fed hat erstmals seit 2024 die Zinsen gesenkt und zwei weitere Senkungen für dieses Jahr signalisiert, während die Märkte bis Ende 2026 mit einer noch stärkeren Lockerung rechnen.

Im September senkte die Fed ihren Leitzins um 25 Basispunkte (Bp.) auf 4,00 bis 4,25 % – die erste Senkung seit Dezember 2024. Begründet wurde dies mit dem schwächeren Arbeitsmarkt: geringeres Beschäftigungswachstum, leicht höhere Arbeitslosigkeit und Indikatoren für sinkende Nachfrage nach Arbeitskräften. Trotz weiterhin über 2 % liegender Inflation räumte die Fed erhöhte Risiken für die Beschäftigung ein. Die Prognosen deuten nun auf zwei weitere Senkungen in diesem Jahr hin, wodurch die Fed Funds Rate auf etwa 3,50 bis 3,75 % sinken würde.

Auch künftig dürfte die Geldpolitik datenabhängig bleiben, wobei weitere Schritte von der Inflation und den Bedingungen am Arbeitsmarkt abhängen werden. Die Märkte preisen jedoch eine zusätzliche Lockerung um 50 Bp. bis Ende 2026 ein – und gehen damit über die eigenen Prognosen der Fed hinaus. Die vom Markt implizierte „Untergrenze“ der Fed, definiert als der niedrigste erwartete Leitzins in den kommenden drei Jahren, ist ebenfalls gesunken (siehe Grafik).

Die Anleihenmärkte sind nahezu perfekt bewertet: Renditeaufschläge bei Investment-Grade- und Hochzinsanleihen liegen auf Jahrzehntetiefs und bieten kaum Puffer bei schwächeren Fundamentaldaten. Trotz offensichtlicher Risse am Arbeitsmarkt wirken die Märkte gelassen und bieten nur minimale Risikoprämien. Zwar nehmen Anleger das schwächere Umfeld wahr, doch starke Nachfrage, Kapitalzuflüsse und solide Fundamentaldaten drücken die Renditeaufschläge weiter.

(siehe Grafik) zeigt den Zusammenhang zwischen dem anfänglichen optionsbereinigten Renditeaufschlag und den 12-Monats-Mehrrenditen bei Investment-Grade-Anleihen anhand von 15 Jahren monatlicher Daten. Jeder Punkt stellt den optionsbereinigten Renditeaufschlag (x-Achse) im Vergleich zur Mehrrendite im folgenden Jahr (y-Achse) dar. Eine Polynomkurve zeigt, wie sich die Mehrrenditen im Durchschnitt historisch in Abhängigkeit von den anfänglichen Renditeaufschlägen entwickelt haben.

Wenn die Renditeaufschläge zu Beginn eng sind, sind die künftigen Mehrrenditen häufig flach oder negativ, da das Risiko einer Ausweitung das begrenzte Potenzial für eine weitere Verengung überwiegt. Auf diesen engen Niveaus gibt es kaum Spielraum für eine weitere Verengung, und schon eine geringe Ausweitung würde zu Verlusten führen. Kurz gesagt: Die früher möglichen Gewinne bei breiteren Renditeaufschlägen sind heute weitgehend ausgeschöpft. Zusätzliches Potenzial gäbe es wahrscheinlich nur bei einer weiteren Einengung.

FED Untere Grenze Markt
Renditeaufschlag Mehrrendite

Schwellenländeraktien auf der Überholspur

An den globalen Aktienmärkten scheint der Technologiesektor das Steuer weiterhin fest in der Hand zu haben. In den USA ist dies nicht überraschend, da das Silicon Valley schon oft für eine Hausse nach der anderen gesorgt hat. Dass dies in den Schwellenländern ebenfalls der Fall ist, wo eine kleine Gruppe asiatischer Technologieunternehmen den Aktienmarkt beflügelt hat, überraschte einige Anleger dann aber doch.

Die globalen Aktienindizes kletterten im September auf Rekordniveau, da die Erwartungen der Anleger hinsichtlich einer Zinssenkung durch die US-Notenbank Fed gestiegen waren und positive Nachrichten aus der Technologiebranche eintrafen. Im S&P 500 Index überschritt die Marktkapitalisierung von Alphabet nach einem günstigen Kartellurteil die Marke von USD 3 Billionen. Oracle legte an einem einzigen Tag um mehr als 40 % zu, nachdem bekannt wurde, dass sich der Auftragsbestand des Unternehmens dank der starken Nachfrage nach seiner Cloud-Infrastruktur für künstliche Intelligenz (KI) massiv erhöht hatte.

Doch auch die Schwellenländer verharrten nicht untätig am Rand. Der MSCI Emerging Markets Index stieg seit Jahresbeginn um fast 30 % (in US-Dollar) und übertraf damit seinen Höchststand von 2021 (siehe Grafik). Die Multi Asset Boutique sieht dafür zwei Hauptgründe. Erstens verfolgt China nach wie vor eine unterstützende Geldpolitik, indem die People’s Bank of China weiterhin eine moderat akkommodierende Haltung einnimmt. Zweitens spielen die Fundamentaldaten eine entscheidende Rolle.

Die Performance der Schwellenländeraktien konzentrierte sich auf etwa ein Dutzend asiatische Technologieunternehmen mit bedeutendem KI-Engagement (siehe Grafik), die in den letzten Quartalen kontinuierlich mit positiven Ergebnissen überraschen konnten. Zusammen machen diese Unternehmen die Hälfte der Indexperformance seit Jahresbeginn aus – eine Struktur, die große Ähnlichkeit mit dem US-Markt aufweist, wo weniger als zehn Technologie- bzw. KI-Unternehmen fast 30 % des Index nach Marktkapitalisierung ausmachen und etwa 60 % der Performance seit Anfang Jahr erzielten.

Das Multi Asset Team, das diese Konzentration in Verbindung mit dem sich beschleunigenden KI-Wettlauf als Hinweis auf den wachsenden Einfluss des Technologiesektors auf die globalen Aktienmärkte sieht – ein Trend, der bisher auf die USA konzentriert war, aber eine strukturelle Verschiebung der Führungsrolle auslösen könnte. Außerdem zeigt sich die Notwendigkeit, genau zu beobachten, wie diese Unternehmen ihre massiven Investitionsausgaben in einem Umfeld zunehmenden Wettbewerbs und beschleunigter Marktdynamik monetarisieren können – was neue Marktführer hervorbringen, aber auch die Rentabilität anderer unter Druck setzen könnte. Ein deutliches Beispiel hierfür ist der jüngste Streit zwischen den USA und China über die Lieferung von KI-Chips durch Nvidia.

Schwellenländer Aktien
Schwellenländer Aktien KI & Tech

Silber gibt Gas

Gold ist das unbestrittene Schwergewicht unter den Edelmetallen – der sichere Hafen, der Wertspeicher. Silber – oft als sein kleiner Bruder bezeichnet – ist volatiler und reagiert stärker auf wirtschaftliche Turbulenzen. In letzter Zeit hat Silber allerdings ordentlich Fahrt aufgenommen.

Gold setzte seine Rekordserie fort und übertraf im September die Marke von USD 3800 pro Unze (+46 % seit Jahresbeginn). Ein entscheidender Impuls waren schwächer als erwartet ausfallende Daten. Vor dem Hintergrund eines sich abschwächenden US-Arbeitsmarktes – zwei enttäuschende Monatsberichte in Folge sowie eine jährliche Benchmark-Revision, wonach die US-Wirtschaft im Jahr bis März 911.000 Arbeitsplätze weniger geschaffen hatte als zuvor erwartet – haben die Anleger ihre Erwartungen an eine Zinssenkung in den USA hochgeschraubt. Niedrigere Zinsen steigern in der Regel die Nachfrage nach „zinslosen“ Anlagen wie Gold.

Zusätzliche Unterstützung erhielt der Goldpreis durch einen schwächeren US-Dollar und die anhaltende Nachfrage der Zentralbanken, wobei der wichtige Käufer China seine Reserven bereits den zehnten Monat in Folge aufstockte. Der (bis zum 1. Oktober bislang erfolglose) Versuch von Präsident Trump, Fed-Gouverneurin Lisa Cook abzusetzen, trug ebenfalls zur Hausse bei, weil dadurch die Befürchtungen hinsichtlich der Unabhängigkeit der Zentralbank verstärkt wurden.

Allerdings hat der kleine Bruder von Gold kürzlich auch Gas gegeben. Silber stieg auf über USD 46 pro Unze – ein Niveau, das zuletzt 2011 erreicht wurde – und verzeichnete damit seit Jahresbeginn einen Anstieg von fast 60 % (siehe Grafik). Mehrere Faktoren haben zu dieser Outperformance beigetragen. Silber hinkt bei einer Aufwärtsentwicklung in der Regel hinterher, wird jedoch häufig mit nach oben gezogen, wenn das Interesse an Metallen steigt.

Schließlich sorgt die Anlegernachfrage (privat und institutionell) durch starke Mittelzuflüsse in börsengehandelte Fonds (ETFs) für zusätzlichen Rückenwind (siehe Grafik). Aus technischer Sicht hat sich das Gold-Silber-Verhältnis, das angibt, wie viele Unzen Silber zum Kauf einer Unze Gold benötigt werden, verringert. Obwohl es immer noch hoch ist, ist das Verhältnis gesunken, da Silber langsam aufholt. Für Anleger, die diese Kennzahl verfolgen, wirkte Silber im Vergleich zu Gold „günstig“ – und dadurch insgesamt attraktiv.

Allerdings ist die Volatilität von Silber ein zweischneidiges Schwert. Der Preis kann stark ansteigen, aber ebenso schnell wieder fallen. Die industrielle Nachfrage macht 55 % der gesamten Silbernachfrage aus. Folglich sind die Preise anfälliger für Rückschläge, wenn die Erwartungen an eine Zinssenkung schwinden oder die industrielle Nachfrage nachlässt. Zu beachten ist auch die Nachfrage nach Schmuck, die rund 17 % der gesamten Silbernachfrage ausmacht. Die Branchenorganisation „The Silver Institute“ erwartet für dieses Jahr einen Rückgang der Nachfrage nach Silberschmuck um 6 %.

Edelmetalle Silber Gold
Silber ETFs

Resilienz bei Euro und Schweizer Franken

Der Euro profitiert weiterhin von robustem Wachstum, moderater Inflation und stabilen geldpolitischen Aussichten. Da die US-Notenbank Fed ihre Lockerung fortsetzt, schrumpfen die Zinsdifferenzen, wodurch der Vorteil des US-Dollars geschmälert und der Euro gestützt wird.

Die meisten Euro-Gewinne in diesem Jahr entstanden früh durch erwartete Fed-Senkungen und positive Daten aus dem Euroraum. Im Sommer flaute die Dynamik wegen Zollbedenken und starker US-Zahlen ab, doch der Aufwärtstrend hält an. Die Europäische Zentralbank (EZB) erwartet Inflation nahe dem Ziel und bis 2026 stabiles Wachstum von 1–1,2 %. Mit nachlassender Inflation und solider Konjunktur dürfte ihr Lockerungszyklus beendet sein, während die Fed ihre Senkungen 2025 fortsetzt, was das Zinsgefälle zugunsten des Euro verschiebt (siehe Grafik). Während die US-Renditen in absoluten Zahlen weiterhin höher sind, verringern die sinkenden Zinserwartungen den Vorteil des Dollars und stützen die Gemeinschaftswährung.

Der Schweizer Franken hat in diesem Jahr gegenüber dem Dollar um mehr als 12 % zugelegt und ist gegenüber dem Euro stabil geblieben. Trotz Zinssenkungen um 175 Basispunkte seit Anfang 2024 hat sich die Währung als widerstandsfähig erwiesen. Die Inflation ist niedrig und bewegt sich nahe dem unteren Ende des Zielbands der Schweizerischen Nationalbank (SNB), während der Franken weiterhin von den starken Fundamentaldaten der Schweiz profitiert – darunter eine geringe Staatsverschuldung, eine solide Außenhandelsposition und institutionelle Glaubwürdigkeit.

In einer Welt, die zunehmend sensibel auf Fiskalrisiken und die Schuldentragfähigkeit reagiert, sticht der Franken hervor. Die Märkte haben Währungen wie das britische Pfund und den japanischen Yen abgestraft, als die langfristigen Renditen aufgrund der Haushaltssorgen stiegen. Im Gegensatz dazu zog der Franken Kapital an – nicht nur als sicherer Hafen, sondern auch als strukturell solide Alternative.

In Zukunft dürfte sich die SNB weiterhin auf die Inflation und nicht auf das Wachstum konzentrieren. Falls erforderlich, könnte sie die Zinsen erneut unter null senken (schließlich hat sie die Märkte schon zuvor überrascht). Ein weiterer Hebel sind Deviseninterventionen, aber trotz ihrer Bereitschaft hat die SNB in den letzten fünf Quartalen kaum Maßnahmen ergriffen (siehe Grafik). Das Multi Asset Team ist der Meinung, dass massive Interventionen derzeit Bilanzrisiken bergen und politische Gegenreaktionen hervorrufen könnten – insbesondere seitens der USA.

Die Diskussion über die Wiedereinführung negativer Zinsen oder das Eingreifen in den Devisenmarkt erscheint eher als Warnung denn als wahrscheinliches Szenario. Solange die Inflation unter Kontrolle bleibt und die Deflationsrisiken begrenzt sind, scheint die SNB bereit zu sein, eine allmähliche Aufwertung des Frankens zu tolerieren.

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