Siemens in Asien: Die goldene Mitte?
Viele Unternehmen sehen in Bezug auf China nur zwei Optionen: Ganz oder gar nicht. Siemens will zeigen, dass durchaus auch ein Mittelweg im fernen Osten funktionieren kann. Während Siemens durch kräftige Investitionen in China sein Engagement in diesem bedeutenden Wachstumsmarkt weiter festigt, baut das Unternehmen zusätzlich ein Werk in Singapur, um seinen Absatz in Asien nicht ausschließlich von China abhängig zu machen.
Wachstumsmotor in Fernost
Seit mehreren Jahren schon ist China der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft. Dieser Motor geriet jedoch angesichts der Corona-Pandemie und insbesondere der Null-Covid-Strategie des Landes ins Stocken. Nichtsdestotrotz zeichnet sich mehr und mehr eine wirtschaftliche Erholung in Fernost ab. So verzeichnete China im ersten Quartal ein Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auch der deutsche Traditionskonzern Siemens sieht dort weiteres Potential. „Der chinesische Markt ist stark und wird weiterwachsen“, so Siemens-Chef Roland Busch jüngst im Handelsblatt-Interview. Aus diesem Grund erhöht Siemens seine Kapazitäten im Automatisierungswerk Chengdu um 40 Prozent für ca. 140 Millionen Euro und will so weiter am chinesischen Wirtschaftswachstum partizipieren. Hieraus kann ein bedeutender Kundenstamm in Asien bedient werden, denn mit einem Umsatz von ca. 18 Milliarden Euro brachten Kunden im asiatischen Raum dem Konzern im letzten Jahr knapp 25 Prozent des Gesamtumsatzes ein.
Spätestens die Corona-Pandemie zeigte, dass es durchaus von Vorteil sein kann, Produktionsstätten regional zu diversifizieren, um so möglichen Engpässen in den Lieferketten entgegenzuwirken. Dies könnte ein möglicher Grund sein, weshalb Siemens neben dem neuen Engagement in China ein weiteres Projekt in Asien angeht. Zukünftig entsteht in Singapur eine neue Produktionsstätte, von der aus in erster Linie südostasiatische Absatzmärkte beliefert werden sollen. Der Preis dieses High-Tech-Werks soll sich auf eine niedrige dreistellige Millionensumme belaufen. Das interessante dabei ist, dass das neue Werk in Singapur die gleichen Produkte fertigen soll, wie das bereits vorhandene Werk in Chengdu. Auf den ersten Blick würden Argumente wie die Degression der Fixkosten dafürsprechen, sich auf einen Standort zu begrenzen, doch Siemens setzt bewusst auf zwei Standorte. Dies lässt ebenfalls vermuten, dass eine strategische Entscheidung dieser Neuinvestition zugrunde liegt. Auch angesichts der ungewissen geopolitischen Lage in der Region scheint dieser Schritt, eine kluge Entscheidung zu sein. Somit versucht Siemens, auf dem asiatischen Markt einen Mittelweg zu gehen, der die Risiken, welche von einem alleinigen Engagement in China ausgehen, minimieren soll. Ob sich diese Strategie langfristig als sinnvoll erweist, wird womöglich erst in einiger Zeit ersichtlich.
Doch auch die anderen Absatzmärkte – abseits von Asien – will der Technologiekonzern mit Sitz in München nicht vernachlässigen. Daher möchte Siemens auch weiter in die amerikanischen und europäischen Märkte investieren. Um auch in Zukunft gegen die Konkurrenz zu bestehen zu können, sollen im Vergleich zum Vorjahr rund eine halbe Milliarde Euro mehr in Forschung und Entwicklung fließen. Unter anderem will Siemens damit auch neue Trends wie Künstliche Intelligenz und das „industrielle Metaversum“ bespielen.
Siemens auf Wachstumskurs?
Trotz der schwächeren Konjunktur zeichnete der letzte Quartalsbericht ein positives Bild der laufenden Geschäfte. Denn in den Kernsparten „Digital Industries“ und „Smart Infrastructure“ verzeichnete Siemens Rekordgewinne. Im Gegensatz zum Vorjahresquartal befindet sich nun auch die weniger starke „Mobility“-Sparte in der Gewinnzone. Daneben stieg der Auftragseingang um 13 Prozent auf 23,6 Milliarden Euro. Angesichts dieses starken Quartals hob der Vorstand die Prognose für das laufende Geschäftsjahr leicht an. Statt eines Umsatzwachstums von 7 bis 10 Prozent, erwartet man nun ein Wachstum von 9 bis 11 Prozent. Ob sich dieses Wachstum im laufenden Jahr tatsächlich realisieren lässt, bleibt offen. Insbesondere die jüngst bekanntgewordenen Probleme bei dem Schwesterkonzern Siemens Energy könnten für Siemens einen Dämpfer liefern.
Im Jahr 2020 lagerte die Siemens AG ihr Energiegeschäft in die Siemens Energy AG aus. Die Produktpalette von Siemens Energy umfasste damit Gas- und Dampfturbinen, Generatoren und Transformatoren. Hinzu kam eine Beteiligung an der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa, welche über die letzten Jahre stetig erhöht wurde. Siemens Energy wollte damit am Wachstumsmarkt der Erneuerbaren Energien partizipieren, was dem Unternehmen jedoch kürzlich zum Verhängnis wurde. Am Abend des 22.06.2023, veröffentlichte Siemens Energy eine Gewinnwarnung aufgrund von gravierenden Problemen bei Siemens Gamesa. Das ohnehin schon sanierungsbedürftige Unternehmen stellte Qualitätsmängel bei Teilen für die Onshore-Windturbinen fest, die zu über einer Milliarde Euro an Mehrkosten führen könnten. Der Kapitalmarkt strafte Siemens Energy infolgedessen ab. Die Aktie brach um ca. 37 Prozent ein, was laut Reuters dem drittgrößten Tagesverlust eines DAX-Unternehmens überhaupt entspricht.
Doch warum sind die Probleme bei Siemens Energy für die Siemens AG relevant? Siemens ist immer noch mit 21 Prozent an Siemens Energy beteiligt, weshalb ein Kursverfall bei Siemens Energy auch negative Auswirkungen auf den eigenen Jahresabschluss haben kann. Wie gravierend dieser Einfluss jedoch letzten Endes ist, bleibt abzuwarten.
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