Wird es Zeit, «Dr. Kupfer» in Rente zu schicken?
Abgesehen von seinen industriellen Anwendungen wird Kupfer oft als Fiebermesser betrachtet, der uns hinweise darauf geben kann, wo der Markt steht und wohin er sich entwickeln könnte. Wenn der Markt zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwankt, wird es immer schwieriger zu erkennen, wem man Glauben schenken soll. Vielleicht kann uns Kupfer dabei helfen.
Ein guter Start ins Jahr
Kupfer hat das Jahr mit einer positiven Entwicklung begonnen. Steigende Kupferpreise können in der Regel als ein positives Zeichen für den allgemeinen Markt gewertet werden, da sie auf die Nachfrage der Kernindustrien und damit auf eine zunehmende Wirtschaftstätigkeit hindeuten. In der Vergangenheit war die Erfolgsbilanz von Kupfer umstritten; ein Rückgang der Kupfernachfrage tritt jedoch in der Regel vor einer weltweiten Konjunkturabkühlung auf. Aber sollten wir den heutigen Markt angesichts des Preisanstiegs als positiv interpretieren? Ganz so einfach ist es nicht. In letzter Zeit waren die Haupttreiber der Kupferpreise eher Arbitragemöglichkeiten als ein optimistischer Ausblick auf den Markt.
Arbitrage treibt den Preistrend an
In unserem Zusammenhang bezieht sich Arbitrage auf Händler, die beim Handel mit demselben Vermögenswert Preisunterschiede zwischen den Märkten ausnutzen. Konkret wird Kupfer aus den Lagerhäusern der London Metal Exchange (LME) in die Tresore der COMEX in den USA bewegt, wodurch sich die Spanne zwischen den beiden Märkten vergrössert. Zum Vergleich: Seit dem Amtsantritt von Präsident Trump im Oval Office bis heute hat sich der Spread von 240 US-Dollar pro Tonne auf rund 700 US-Dollar pro Tonne erhöht. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Anleger versuchen, ihr Kupfer in den USA vorzuladen, um höhere Importkosten zu vermeiden, falls Zölle eingeführt würden.
Wie eingangs erwähnt, wird Kupfer aufgrund seiner Rolle als Wirtschaftsindikator manchmal als «Dr. Kupfer» bezeichnet. Steigende Preise deuten in der Regel auf eine zunehmende Industrietätigkeit hin und umgekehrt. Diesmal ist die Rallye jedoch weniger auf die starke zugrunde liegende Nachfrage als vielmehr auf technische Aspekte zurückzuführen. Fonds und Händler kaufen Kupfer-Futures und -Optionen zu US-Preisen, um sich gegen Zölle abzusichern, anstatt auf einen wirtschaftlichen Aufschwung zu wetten. Nichtsdestotrotz wurde Kupfer von chinesischen Käufern verstärkt nachgefragt, die die Nachfrage gestützt haben.
Kurze und Lange Frist
Zudem sollte mit kurzfristiger Volatilität gerechnet werden, da die Händler auf neue handelspolitische Nachrichten reagieren. Die aktuelle Arbitrage-Spanne zeigt, dass sich der US-Markt auf höhere Importkosten einstellt. Wenn die Zölle bestätigt werden und vielleicht ähnlich hoch ausfallen wie die 25 Prozent auf Stahl und Aluminium, könnte es einen potenziellen Aufschlag für US-Kupfer geben, der die Preise kurzfristig in die Höhe treiben könnte, bevor sich die Angebotswege anpassen.
Langfristig ist die Entwicklung von Kupfer jedoch weitgehend an seine industriellen Verwendungszwecke wie Bauwesen, Elektronik und erneuerbare Energien gebunden. Auch wenn die kurzfristigen Auswirkungen der Zölle tiefgreifend sein könnten, könnte eine anhaltende wirtschaftliche Schwäche oder Stärke höchstwahrscheinlich die Richtung des Kupferpreises auf lange Sicht stärker bestimmen. Sollte der von Präsident Trump geführte Handelskrieg jedoch anhalten, kann er sich auf die globalen Lieferketten auswirken, was langfristig das Wirtschaftswachstum verringern und somit die Kupferpreise beeinflussen könnte.
Ist «Dr. Kupfer» noch ein relevanter Indikator?
Um zum Ausgangspunkt zurückzukehren: Ist «Dr. Kupfer» ein guter Indikator für die Wirtschaftstätigkeit? Kurzfristig sollte dem Kupferpreis nicht zu viel Vertrauen als Indikator für die Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit geschenkt werden, da momentan vermutlich eher eine Art «Zollpanik» herrscht als eine Situation, die von einer gesunden Grundnachfrage getragen wird. Die enorme Differenz zwischen der LME und der COMEX ist weniger ein Anzeichen für einen Wirtschaftsboom als vielmehr ein Signal dafür, dass die Händler versuchen könnten, sich vor der politischen Unsicherheit zu schützen. Es handelt sich also um ein heikles Gleichgewicht zwischen technischer Arbitrage und fundamentalen Faktoren, das kurzfristig für einen volatilen Markt sorgen dürfte, der sowohl Chancen für Short- als auch für Long-Positionen bietet. «Dr. Kupfer» in den Ruhestand zu versetzen, könnte jedoch zu drastisch sein; vielleicht wäre eine Beurlaubung eine angemessenere Massnahme, bis sich die Märkte wieder etwas normalisiert haben.