Die Stunde der gefallenen Engel
Die Aktienmärkte haben sich im vergangenen Jahr von ihrer Glanzseite gezeigt. Egal, ob S&P® 500, DAX® oder SMI®, sie alle legten zu. Der Aufschwung kam aber nicht in der ganzen Breite an, diverse Titel hinkten den Indizes deutlich hinterher. Mit einigen dieser «Fallen Angels» sind spannende Recovery-Stories verbunden. Die Schnäppchenjagd kann also beginnen.
Als «Fallen Angels» werden in der christlichen Theologie jene Engel bezeichnet, die aus dem Himmelreich verbannt wurden. Auf den Kapitalmarkt projiziert handelt es sich bei einem «Fallen Angel» um Instrumente, die bei Börsianern in Ungnade gefallen sind. Allerdings muss nach einer stattlichen Underperformance bzw. einem Absturz nicht aller Tage Abend sein. Ebenso wie in der Religion lassen auch Finanzfachleute so manche Krisenkinder wieder auferstehen.
Bestes Beispiel ist der Arznei-Auftragsfertiger Lonza, der durch das Ende der Pandemie in die Tiefe gerissen wurde. Mit einem frischen Management und neuem Wachstumsplan beendete der Bluechip das Jahr 2024 als Spitzenreiter im SMI®. Allerdings wird nicht jeder gefallene Engel wiederbelebt. Unternehmen, die fundamental am Boden kleben bleiben, werden auch an der Börse nicht rehabilitiert.
Drum prüfe, wer sich bindet
Die Investmentidee hinter einem Recovery-Trade bezieht sich darauf, Qualitätsaktien zu finden, die zu heftig abgestraft wurden und damit eine echte Chance auf eine Wende haben. Dieser Ansatz bedarf einer fundierten Analyse, welche auf klaren Selektionskriterien basiert. Die Experten von Vontobel haben mit einem derartigen fundamentalen Ansatz den Markt auf Nachzügler durchforstet. Dabei fiel der Fokus auf Unternehmen mit soliden Geschäftsmodellen, die bereits Massnahmen ergriffen haben, die Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen. Auch Gesellschaften mit strukturellen Veränderungen sowie frischem Management wurden in Erwägung gezogen. Das Vorgehen lässt sich wie bei einer Besorgung im Supermarkt beschreiben: Gekauft werden ausschliesslich die hochwertigen Sonderangebote, um keine Qualitätseinbussen hinnehmen zu müssen. Firmen mit strukturellen Problemen, wie beispielsweise die Autohersteller, kommen dagegen nicht in den Einkaufswagen.
Neuer Chef, neue Strategie, neue Hoffnung
Trotz der geschichtsträchtigen Hausse an der Wall Street legte so manch prominenter US-Titel den Rückwärtsgang ein. Das gilt beispielsweise für Nike. Der weltgrösste Sportartikelhersteller hatte die falschen Weichen gestellt und damit deutlich Marktanteile an Konkurrenten wie Deckers oder On eingebüsst. Laut den Experten von Consumer Edge verlor Nike im vergangenen Jahr auf dem Heimmarkt zwei Prozent seines Marktanteils, in Europa waren es sogar 6,2 Prozent.
Der neue Chef Elliott Hill, der aus dem Ruhestand zurückgeholt wurde, krempelt den Konzern nun um und möchte diesen mit höheren Preisen und einem besseren Verhältnis zu Partnern wieder auf Kurs bringen. Zudem soll es weniger Preisnachlässe und Rabattaktionen geben, dafür aber mehr Artikel im Premium-Bereich verkauft werden. Der 61-jährige Manager setzt auch auf eine stärkere emotionale Bindung zu den Verbrauchern.
Mit neuen Führungsspitzen versuchen auch BASF und Nestlé das Ruder herumreissen. Beim Chemieriesen hängt es nun an Markus Kamieth, den Konzern auf Profitabilität zu trimmen. Als Teil der Portfoliooptimierung hat dieser im September 2024 angekündigt, die seit Jahren laufenden Aufräumungsarbeiten fortzusetzen. Seit 2010 wurden bereits Geschäfte mit einem Umsatzvolumen von rund 9.5 Milliarden Euro akquiriert und Segmente mit Erlösen von circa 30 Milliarden Euro devestiert (BASF, Pressemitteilung, 26.09.2024). Unter dem neuen Chef wechselten 2024 die Sparte mit Flockungsmitteln für Bergbauanwendungen und das Geschäft mit Lebensmittel-Zusatzstoffen den Besitzer. Die Agrar-Sparte soll wiederum an die Börse gebracht werden. Die Aktionäre müssen sich zwar noch auf holprige Zeiten einstellen, allerdings könnte BASF – insbesondere, wenn die Konjunktur wieder anzieht – die Früchte des Umbaus ernten.
Dies hofft der neue Nestlé-Konzernchef Laurent Freixe auch. Der weltgrösste Nahrungsmittelhersteller ist gerade dabei, unter anderem die Sorgenkinder wie das Wassergeschäft oder Teile des Kaffee-Geschäfts aufzupäppeln. Daneben versucht der Konzern den Appetit der Verbraucher durch verstärkte Werbe- und Marketingaktivitäten zu erhöhen. Diese sollen bis Ende 2025 auf neun von zuletzt acht Prozent des Umsatzes steigen. Zudem fliessen die Erträge aus Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen in Wachstum und Marktanteilsgewinne. Bis die Aufbruchstimmung tatsächlich in den Büchern ankommt, dürfte es zwar noch eine Weile dauern, allerdings wird an der Börse die Zukunft gehandelt und daher könnte die Aktie bereits vorher eine Wende einläuten (Nestlé, Pressemitteilung, 19.11.2024).
China: Fluch und Segen
Der Turnaround steht bei Mondelez ebenfalls auf dem Plan. Der US-Süsswarenhersteller verzeichnete zuletzt bereits eine Belebung seines Geschäfts. Im dritten Quartal konnte das Unternehmen dank einer verbesserten Preisgestaltung Absatz, Umsatz und Gewinn steigern und damit die Erwartungen übertreffen. Allen voran in Europa, Nordamerika und China punktete der Hersteller von Marken wie Milka und Oreo. Dass CEO Dirk Van de Put Vertrauen in die Zukunft hat, zeigt ein jüngst angekündigtes Aktienrückkaufprogramm. Zwischen Anfang 2025 und Ende 2027 sollen eigene Anteile im Wert von bis zu neun Milliarden US-Dollar erworben werden.
Während Mondelez zuletzt auch im kriselnden Reich der Mitte wieder Fortschritte erzielte, ist China der Hemmschuh für Unternehmen wie ASML und Kering. Letztgenannter Hersteller der bekannten Gucci-Handtaschen spürt deutlich die Zurückhaltung der chinesischen Kundschaft bei hochpreisiger Designermode, Schmuck und Accessoires. So erlitt Kering im Quartal bis September 2024 einen Umsatzrückgang von 30 Prozent im asiatisch- pazifischen Raum. Die Aktie tauchte daraufhin im November auf das tiefste Niveau seit Anfang 2017 ab. In diesem Jahr könnte es in Fernost zu einer Umkehr kommen. Peking hat bereits mehrfach angekündigt, das Wachstum mit unterschiedlichen Massnahmen zu fördern.
Auch ASML leidet unter einem schwachen China-Geschäft. Dies liegt aber weniger daran, dass es an Nachfrage nach den Maschinen des Chipindustrieausrüsters fehlt, sondern vielmehr an einem US-Embargo für Technologie-Exporte nach China. Demzufolge wird sich den Prognosen zufolge der China-Anteil am Konzernumsatz auf 20 Prozent halbieren. Allmählich sollten aber die negativen Nachrichten alle am Tisch liegen. Erst vor wenigen Wochen bekräftigte der Weltmarktführer in EUV-Lithographiesysteme seine längerfristigen Ziele, den Umsatz bis 2030 auf 44 bis 60 Milliarden Euro auszubauen. Zum Vergleich: Für 2025 werden 30 bis 35 Milliarden Euro anvisiert. Als Wachstumstreiber sieht das Management die zunehmende Bedeutung der Künstlichen Intelligenz (ASML, Pressemitteilung, 02.12.2024).
Die Wende im Visier
KI ist auch das Stichwort bei Adobe. Das Unternehmen lancierte kürzlich KI-bezogene Softwaretools und investiert weiter kräftig in KI-basierte Bild- und Videogenerierungstechnologien, um der zunehmenden Konkurrenz durch Startups wie Stability AI Parole bieten zu können. Sobald Adobe den Kapitalmarkt überzeugen kann, wie sich die Fortschritte in der Videogenerierungstechnologie monetarisieren lassen, könnte der Underperformer wieder auf die Überholspur wechseln. 2024 gab die Aktie rund ein Viertel nach und notiert derzeit mit einem KGV von unter 20 deutlich unter Branchenkollegen wie Microsoft oder Autodesk.
Die beiden Schweizer Mid-Caps VAT und Straumann setzten 2024 ebenfalls prozentual zweistellig zurück. Erstgenannter Chip-Zulieferer ist operativ bereits wieder auf den Wachstumskurs eingeschwenkt. Die Aufträge legten in den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahr um 68 Prozent zu. Auch 2025 erwartet der Vorstand kontinuierlich verbessernde Bedingungen. Fortschritte in der Fertigungstechnologie im Marktsegment Logic-Chips sind laut VAT die wichtigsten Triebkräfte für das erwartete Wachstum im neuen Jahr.
Straumann ist operativ ebenso auf einem guten Weg. Der Zahnimplantatehersteller erzielte im dritten Quartal ein Umsatzplus von 11,2 Prozent. Den grössten Beitrag lieferte die Region Asien-Pazifik mit einem Anstieg um knapp ein Fünftel. Da Nordamerika, der zweitgrösste Markt von Straumann, aber hinter den Erwartungen zurückblieb, hielten sich Anleger zunächst bei der Aktie weiter zurück. Allerdings könnten Börsianer schon bald wieder ihr Augenmerk auf die erstklassigen Margen sowie den Marktanteilsgewinnen bei Zahnimplantaten, transparenten Zahnspangen und digitalen Zahnheilkundelösungen legen.
Investieren leicht gemacht
Die neuen Tracker-Zertifikate auf die Vontobel Recovery Baskets enthalten jeweils acht Unternehmen. So können Anleger mit nur einer Transaktion auf Titel setzen, die im Jahr 2024 das Nachsehen hatten - aber Turnaround-Potenzial aufweisen. Die-Tracker-Zertifikate gewähren eine 1:1-Partizipation an den sorgfältig ausgewählten Aktienkörben. Baskets gibt es drei verschieden: einen mit Fokus auf die Schweizer Underperformer 2024, einen auf diejenigen aus den USA und der dritte fokussiert auf Titel aus Europa.