Barriere berührt und was jetzt?
Kein Anleger setzt sich gerne mit den Folgen einer Barriereberührung auseinander. Nichtsdestotrotz können selbst Kurse von Unternehmen zu breitangelegten Korrekturen ansetzen, die sonst in den Köpfen der Anleger als «sicherer Hafen» abgespeichert sind. So mussten Anleger in diesem Jahr beispielsweise grosse Kurskorrekturen bei dem Börsenschwergewicht Nestlé hinnehmen. Was also tun, wenn Sie einen Barrier Reverse Convertible (BRC) halten, bei dem die Aktie die Barriere berührt hat?
Das Börsenjahr 2024 hatte Gewinner und Verlierer
Die Lebensweisheit «im Nachhinein ist man immer schlauer», trifft nicht nur in vielen Situationen unseres alltäglichen Lebens zu, sondern auch beim Investieren. Mit dem Blick in den Rückspiegel ergeben einzelne Ereignisse und deren Auswirkungen tatsächlich häufig eher einen Sinn. Tatsache ist, dass es für viele Anleger an den Märkten eine besondere Herausforderung darstellt, grössere Bewegungen und Veränderungen rechtzeitig zu antizipieren.
Natürlich gibt es auch immer wieder diejenigen, die beim Eintreten eines Ereignisses sagen, dass das im Vorfeld schon vorauszusehen gewesen ist. Bei diesem Verhalten handelt es sich um eine häufig vorkommende und typische menschliche Fehleinschätzung. In der Psychologie ist dieses Phänomen bekannt unter dem «Hindsight Bias». Darunter versteht man die Tatsache, dass Menschen dazu tendieren zu glauben, dass sie im Nachhinein etwas bereits gewusst zu haben scheinen, nachdem das Ereignis eingetreten ist. Dies hängt häufig mit dem Wunsch nach einem positiven Selbstbild zusammen. Doch selbst wenn man mit dem Eintreten eines Ereignisses gerechnet hat, können der Zeitpunkt oder die Stärke der Ausprägung immer noch überraschend wirken.
Aber unabhängig davon, ob man im Börsenjahr 2024 gewisse Dinge kommen gesehen hat oder nicht, kann das Anlagejahr 2024 als ein durchaus positives betitelt werden, wenn ein Blick auf die Performance der grossen und bedeutenden Aktienindizes dieser Welt geworfen wird. Aber auch wenn teils positive zweistellige Renditen verzeichnet werden konnten, wie beispielsweise bei den US-Indizes, liegt die Krux wie immer im Detail.
Korrekturen können jeden treffen
Denn je nach Sektor und Unternehmen gibt es wie in jedem Jahr Aktien, die sich auch im relativ starken Jahr schwergetan haben oder schlimmer noch, die eine grossangelegte Kurskorrektur hinnehmen mussten. Häufig kommt es dabei zu Korrekturen an den Märkten, wenn die Realität und die Erwartungen der Anleger hinsichtlich des Geschäftsverlauf in der Zukunft divergieren. Kann die Unternehmensleitung und / oder die Geschäfts- bzw. Auftragslage Anleger nicht mehr restlos überzeugen, kann es zu einem grösseren Abverkauf eines Titels kommen.
In diesem Jahr taten sich gleich zwei der drei beliebten Schweizer Schwergewichte im Swiss Market Index (SMI®) schwer. Der Basler Pharmariese Roche stand aufgrund einiger auslaufender Patente und einer zwischenzeitlich dünnen Medikamentenpipeline vor grossen Herausforderungen und musste um die Gunst der Anleger kämpfen. Dennoch konnte sich das Unternehmen zuletzt aufgrund einiger positiver News auf Jahressicht wieder ins positive Terrain retten. Mit einem Plus von rund 4,50 Prozent konnte Roche im Jahr 2024 zwar zulegen, ist allerdings noch immer weit von seinem Allzeithoch aus 2022 bei über 400 Franken entfernt. Die vergangene Performance ist allerdings auch kein zuverlässiger Indikator für die Wertentwicklungen in der Zukunft.
Düsterer sieht die Situation am unteren Ende des SMI® aus. Die wenigsten Anleger hätten beispielsweise damit gerechnet, dass der Nahrungsmittelriese Nestlé im Börsenjahr 2024 bis Ende November knapp über 21,5 Prozent an Wert verloren hat. Aber wie schon gesagt: «Im Nachhinein ist man immer schlauer». Die Gründe für die Korrektur sind vielfältiger Natur und das Management steht vor der Herausforderung, das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Eine Kurskorrektur ist für sich genommen noch nichts Weltbewegendes. Allerdings ist das problematische an der Korrektur von Nestlé, dass diese Aktie ein fester Bestandteil in vielen Depots ist, da sie eigentlich als ein stabiler Wert in der Vergangenheit gegolten hat. Aus diesem Grund fand die Nestlé-Aktie auch gerne Einzug als Basiswert in Strukturierten Produkten. Dies aufgrund der stabilen Kursentwicklung (geringer Volatilität) und der stabilen Dividende. Nun zeigt sich allerdings, dass auch die als sicher wahrgenommen Aktien mitunter stark korrigieren können. Dies bringt verschiedene Auswirkungen mit sich.
Eine proaktive und regelmässige Überwachung der Barrieren kann sich lohnen
Anleger, die in Strukturierte Produkte investieren, könnten nun vor der Herausforderung stehen, dass Nestlé in einem oder mehreren ihrer Produkte enthalten ist. Diejenigen Anleger, die bei Abschluss des Produkts einen genügend grossen Risikopuffer in Form einer tiefen Barriere gewählt haben, könnten hier vor Schlimmerem verschont geblieben sein. Es ist allerdings immer ratsam, gerade bei grösseren Kurskorrekturen einer Aktie den Abstand vom Kurs der Aktie bis zur Barriere regelmässig zu überprüfen. Wenn es allerdings schon zu spät sein sollte und eine Barriereberührung bereits stattgefunden hat, müssen sich Anleger genau überlegen, welche Möglichkeiten jetzt bleiben.
Die Idee eines Recovery Produkts
Wurde bei einem klassischen Multi Barrier Reverse Convertible mit amerikanischer Barriere von einem der Basiswerte die Barriere während der Laufzeit berührt, wird, sofern die Schlussfixierung aller Basiswerte nicht wieder oberhalb des Ausübungspreises liegt, per Verfall der Basiswert mit der schlechtesten Wertentwicklung geliefert. Diese muss nicht zwangsweise der Aktie gleichen, die die Barriere auch effektiv durchbrochen hat.
Wenn ein Barriereereignis stattgefunden hat, sehen sich Anleger nun mit der Frage konfrontiert, wie sie nun weiter vorgehen sollen. Je nachdem, wann die Barriereberührung stattgefunden hat und wie viel Restlaufzeit noch bis zum Verfall des Produktes bleibt, könnte es eine Möglichkeit sein, schlicht abzuwarten. Sollte sich der Basiswert nämlich wieder zurück bis auf oder über den Ausübungspreis erholen, besteht die Chance, dass das Produkt doch noch zum Nennwert zurückbezahlt wird und es nicht zu einer Aktienlieferung kommt. Sollte das allerdings nicht der Fall sein, bekommen Anleger bei Produkten mit physischer Lieferung die Aktie mit der schlechtesten Wertentwicklung in ihr Depot eingeliefert.
Sind Anleger bereit, diese Aktie zu halten, könnte man geneigt sein, die Situation auszusitzen und bei der zugrundeliegenden Aktie im Zeitverlauf auf eine Stabilisierung zu hoffen. Dies kann allerdings längere Zeit in Anspruch nehmen und erfordert entsprechend Geduld. Je nach Aktie kann immerhin die Dividende (falls eine bezahlt wird) vereinnahmt werden. Ebenfalls eine Herausforderung kann es sein, wenn eine angediente Aktie bereits als Aktienposition im Portfolio vorhanden gewesen ist. So könnte sich die Basiswertkonzentration im Portfolio weiter zu Gunsten dieses Basiswertes erhöhen aufgrund der zusätzlichen Aktienlieferung aus dem Strukturierten Produkt.
Eine weitere Möglichkeit wäre es, das Produkt bereits vor dem Verfallszeitpunkt zum gängigen Geldkurs via Börse zu verkaufen. Dies kann vor allem dann Sinn machen, wenn Anleger nicht an die Erholung des Basiswertes glauben und per Verfall die Aktienlieferung verhindern möchten. In diesem Fall würde der Verlust allerdings vorzeitig realisiert werden. Demgegenüber könnte das damit freigewordene Kapital aber auch wieder renditeorientiert angelegt werden, um die eingefahrenen Verluste ganz oder zumindest teilweise wieder aufzuholen.
Hier kommt die Idee eines Recovery Produkts ins Spiel.
Verschiedene Arten von Recovery Produkten
Wenn die Kurse von Aktien fallen, nimmt die Volatilität, gemessen an den Preisen der zugrundeliegenden Optionen, zu. Diese Veränderung der Volatilität betrifft dabei vor allem die kürzeren Laufzeiten. Mit Hilfe von Recovery Produkten kann die erhöhte Volatilität genutzt werden, um bereits erlittene Kursverluste bei einer potenziell positiven Kursentwicklung des Basiswertes wieder aufzuholen. Zu diesem Zweck haben Anleger die Möglichkeit auf die vielfältige Produktpalette der Anlageprodukte zurückzugreifen. Nachfolgend werden einige Beispiele vorgestellt, mit denen eine potenzielle Recovery-Strategie aufgebaut werden kann. Ein Recovery Produkt wird dabei so strukturiert, dass eine Erholung des Basiswerts per Verfall ausreicht, damit der vollständige Nennwert zurückbezahlt wird. Recovery Produkte beziehen sich in der Regel auf nur einen Basiswert – nämlich denjenigen, der die Barriere berührt hat.
(Capped) Outperformance Zertifikate
Outperformance Zertifikate bieten in ihrer Grundform die Möglichkeit, überdurchschnittlich an Kursbewegungen des zugrundeliegenden Basiswerts ab dem Ausübungspreis zu partizipieren. In der Regel wird hierbei eine doppelte oder sogar dreifache Partizipation an steigenden Kursen angestrebt. Gleichzeitig bleibt das Abwärtsrisiko im Verhältnis 1:1 bestehen. In der Regel sind Anleger gut damit beraten, sich einen realistischen Zeithorizont zu setzen, um die Verluste ganz oder zum Teil mit dieser Recovery Strategie wieder aufzuholen. Aufgrund der hohen Partizipationsrate können selbst kleinere Kursbewegungen helfen, die erlittenen Verluste zu verringern. Auch durch das optionale Hinzufügen eines Caps (Begrenzung der Partizipation nach oben), könnte die Partizipationsrate weiter erhöht werden. Allerdings sollte die Laufzeit auch nicht zu lang gewählt werden, da die Volatilität für kürzere Laufzeiten am höchsten ist und sich die Performance erst kurz vor Verfall des Produktes in dessen Kursstellung niederschlägt. Prinzipiell sollten Anleger darauf achten, dass Chancen und Risiken des Produktes in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.
Weitere Details zur Funktionsweise von Outperformance Zertifikaten finden Sie in unserem Know-How Artikel.
Discount Zertifikate mit Barriere
Angenommen, ein Anleger hält einen Multi Barrier Revere Convertible (MBRC) auf drei Schweizer Aktien, wovon eine Aktie (angenommen Nestlé) die Barriere berührt hat. Erholt sich der Kurs der Nestlé-Aktie nicht und bleibt Nestlé gleichzeitig die Aktie mit der schlechtesten Performance bis zum Ende der Laufzeit, würde der Anleger diese Aktie geliefert bekommen.
Aufgrund der Barriereberührung könnte die Kursnotierung des Produkts mitunter deutlich unter dem ursprünglichen Emissionspreis (in der Regel bei 100 Prozent) notieren. Wenn die vorhandene Position beispielsweise noch bei einem Kurs von 70 Prozent notiert, könnten Anleger diese Position vorzeitig zum aktuellen Geldkurs verkaufen und das frei gewordene Kapital in ein Discount Zertifikat mit Barriere investieren. Weitere Informationen zur Funktionsweise von Discount Zertifikaten mit Barriere können unserem Know-How Bereich entnommen werden. Der Briefkurs des Recovery Produktes sollte möglichst nah beim Verkaufspreis des ursprünglichen Produktes liegen, damit kein zusätzlicher Kapitalbedarf nötig ist.
Diese Recovery Strategie bedient sich eines Ausübungspreises, der deutlich über dem aktuellen Kurs des Basiswertes liegt und einer europäischen Barriere, die auf oder nah auf dem Niveau des aktuellen Spotkurses der Aktie platziert wird, um den vorhandenen Verlust ganz oder teilweise wieder aufzuholen. Aufgrund der europäischen Barriere wird lediglich am Laufzeitende geschaut, wo der Kurs des Basiswertes notiert und ob er oberhalb der Barriere liegt. Die maximale Rendite ergibt sich aus dem Abstand vom Emissionspreis des Produktes zum Ausübungspreis. Damit das Produkt die maximale Rendite erreicht, genügt es, wenn der Kurs der Nestlé-Aktie zum Zeitpunkt der Schlussfixierung oberhalb der europäischen Barriere schliesst.
Bei der Wahl des Produkts sollte darauf geachtet werden, die Produktcharakteristiken so zu wählen, dass Chancen und Risiko in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Anleger sollten die Möglichkeit haben, einen Teil der erlittenen Verluste wieder aufzuholen, ohne unnötig zusätzliches Risiko einzugehen. Sollte die Aktie am Ende der Laufzeit nicht über der europäischen Barriere schliessen, erfolgt eine Aktienlieferung analog wie beim ursprünglich vorhandenen MBRC. Die Laufzeit des Recovery Produkts kann Einfluss darauf haben, ob Anleger mit der Recovery Strategie besser gefahren sind oder nicht.