Kernenergie vor globalem Comeback
Ist Klimaneutralität ohne Atomkraft möglich? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Länder. Um den Anteil fossiler Brennstoffe an der Stromerzeugung zu reduzieren, plant eine Reihe von Staaten den Einstieg in die Kernkraft, andere bauen ihre Kapazitäten aus, wieder andere wollen die Laufzeit ihrer Reaktoren verlängern. Entsprechende Allianzen sind bereits geschmiedet worden. Mit einem Strategiezertifikat auf den Vontobel Nuclear Energy Index können Anleger an einer möglichen Renaissance der Kernenergie partizipieren.
Das Kernkraftwerk Three Miles Island bei Harrisburg im US-Bundesstaat Pennsylvania war einst Schauplatz des grössten Reaktorunfalls in der Geschichte der USA. Damals, im März 1979, kam es im Reaktorblock 2 zu einer partiellen Kernschmelze, in deren Folge zwischenzeitlich zehntausende Anwohner evakuiert werden mussten. Der von dem Zwischenfall nicht betroffene Block 1 wurde zwar weiter betrieben, aber aus wirtschaftlichen Gründen im Jahr 2019 stillgelegt. Heute ist Three Miles Island wieder in den Schlagzeilen. Am 20. September 2024 gab der Betreiber Constellation Energy bekannt, dass Block 1 ab 2028 wieder hochgefahren werden soll. Abnehmer des Stroms ist kein Geringerer als der Technologieriese Microsoft. Zwischen den beiden Parteien wurde ein Stromliefervertrag mit einer Laufzeit von 20 Jahren geschlossen. «Diese Entscheidung ist das stärkste Symbol für die Wiedergeburt der Kernenergie als saubere und zuverlässige Energiequelle», kommentierte Joe Dominguez, CEO von Constellation, den Deal in einer Telefonkonferenz. In der Tat: Wenn es noch eines Symbols für die Renaissance der Kernenergie bedurfte, dann ist es die Wiederinbetriebnahme von Three Miles Island. Und dass mit Microsoft ein Technologiekonzern auf diese Energiequelle setzt, ist auch kein Zufall. Warum, dazu später mehr.
Massiver Ausbau der Kapazitäten erwartet
Nach Jahren des Rückgangs des Anteils der Kernenergie am weltweiten Strommix stehen die Zeichen wieder auf Wachstum. Erst kürzlich hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ihre Prognose für den Ausbau der Kernenergie erhöht. Laut IAEA waren Ende 2023 weltweit 413 Kernreaktoren mit einer Kapazität von 371,5 Gigawatt (GW) in Betrieb. Bis 2050, so die «High-Case»-Projektion der Behörde, könnte die Stromerzeugungskapazität aus Kernenergie auf 950 GW steigen. Damit würde sich die globale Kapazität also um etwas mehr als das 2,5-fache erhöhen. Rund 30 Länder, die bisher noch keine Kernenergie nutzen, würden den Experten zufolge die Einführung von Atomkraft in ihren Energiemix erwägen, während andere Staaten planen, die Lebensdauer bestehender Atomkraftwerke zu verlängern und / oder die Kapazitäten zu erweitern.
Atomenergie: Nutzen und Risiken
Die Geschichte der zivilen Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung reicht bis in das Jahr 1954 zurück. Damals wurde im russischen Obninsk das weltweit erste Kernkraftwerk in Betrieb genommen, das elektrische Energie in das öffentliche Stromnetz einspeiste. In den folgenden Jahrzehnten stieg der Anteil von Atomstrom im globalen Strommix kontinuierlich an. Dennoch stand und steht die Kernenergie auch in der Kritik. Der Nutzen stehe in keinem Verhältnis zu den Risiken, lautet das zentrale Argument der Skeptiker. Dabei wird insbesondere
auf die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) sowie auf die Probleme bei der Endlagerung verwiesen. Tatsächlich hat in einigen Ländern ein Umdenken in der Energiepolitik stattgefunden. So wurde in Deutschland unmittelbar nach Fukushima der endgültige Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Im April 2023 gingen schliesslich die drei letzten Reaktoren ausser Betrieb. Unter den zehn grössten Volkswirtschaften ist Deutschland damit neben Italien das einzige Land, das auf Kernenergie verzichtet.
Rolle rückwärts?
Auch die Schweiz will aus der Kernenergie aussteigen. Eigentlich, muss man sagen. Zwar hat eine Volksabstimmung im Mai 2017 ergeben, dass die vier existierenden Reaktoren nach ihrer Stilllegung nicht durch neue ersetzt werden dürfen. Doch das Bauverbot könnte in absehbarer Zeit kippen. «Das bestehende Neubauverbot für Kernkraftwerke ist mit dem Ziel der Technologieoffenheit nicht vereinbar», heisst es in einer Mitteilung des Bundesrates vom 28. August 2024. Offen ist laut der Mitteilung auch, ob der Ausbau der erneuerbaren Energien schnell genug vorankommt, um die wegfallenden Kapazitäten und den steigenden Strombedarf rechtzeitig decken zu können. Bis Ende 2024 soll dem Bundesrat eine Vorlage zur Anpassung des Kernenergiegesetzes unterbreitet werden, über die das Parlament im kommenden Jahr beraten wird.
Klimaziele ohne Ausbau der Kernenergie gefährdet
Derzeit beläuft sich der Anteil der Kernenergie an der globalen Stromerzeugung auf 9,2 Prozent. Im Jahr 1996 waren es noch 17,5 Prozent. Gleichzeitig hat die Bedeutung der erneuerbaren Energien zugenommen. Der Anteil von Strom aus Sonnenenergie liegt bei fünf Prozent, der von Windkraft bei acht Prozent. Das Problem ist: Um den weltweiten Strombedarf zu decken werden weiterhin in grossem Umfang klimaschädliche fossile Brennstoffe eingesetzt. Rund 60 Prozent des weltweiten Stroms werden durch die Verbrennung von Kohle (37 Prozent), Gas (20 Prozent) oder Öl (3 Prozent) erzeugt. Mit einem so hohen Anteil an CO2-Schleudern im Strommix sind die Klimaziele wohl nicht zu erreichen. Und genau das könnte der Kernkraft zu einem Comeback verhelfen. «Um bis Mitte des Jahrhunderts eine Netto-Null-Emission von Treibhausgasen zu erreichen, ist eine schnelle und vollständige Dekarbonisierung der Strom- und Wärmeerzeugung erforderlich», heisst es in einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA). Und weiter: «Auch wenn Wind- und Solarenergie bei der Ablösung fossiler Brennstoffe voraussichtlich eine führende Rolle spielen werden, bedarf es einer Ergänzung durch disponierbare Ressourcen. Die Kernenergie ist heute nach der Wasserkraft die zweitgrösste Quelle emissionsarmer Energie. Sie kann dazu beitragen, sichere, vielfältige und emissionsarme Stromsysteme zu gewährleisten.» Die IEA verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die derzeit in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke jährlich zur Vermeidung von 1,5 Gigatonnen globaler Treibhausgasemissionen beitragen.
Allianzen für Kernenergie
Derzeit sind weltweit 59 neue Kernreaktoren im Bau. Davon allein 24 in China. Aber auch in Indien sind derzeit acht neue Reaktoren im Bau. Das Ende der Fahnenstange dürfte damit aber noch nicht erreicht sein. So haben im Rahmen der Weltklimakonferenz in Dublin (COP28) im vergangenen Dezember 22 Staaten eine Erklärung veröffentlicht, die Kapazitäten zur Erzeugung von Atomstrom bis 2050 zu verdreifachen. Dazu gehören unter anderem die USA, Kanada, Grossbritannien und Frankreich. Auch Japan zählt trotz der Reaktorkatastrophe von Fukushima zu den Unterzeichnern. Das Inselreich beschloss im Mai 2023, seine Atommeiler ohne Laufzeitbeschränkung wieder ins Netz zu nehmen. Im März 2024 fand in Brüssel zudem ein europäischer Atomgipfel statt. Erklärtes Ziel der Initiative ist es, den Anteil der Kernenergie am europäischen Strommix zu festigen. Zu den treibenden Kräften gehört Frankreich, das in den kommenden Jahren sechs neue Reaktoren plant. Zur Allianz zählen auch die Niederlande und Belgien, die ihre ursprünglichen Ausstiegspläne wieder aufgehoben beziehungsweise verschoben haben. Den Neueinstieg erwägt Polen. Slowenien, Bulgarien, Finnland und Schweden planen weitere Reaktoren. Den Kosten und Risiken sollen dabei mit einem neuartigen Reaktortyp begegnet werden, dem «Small Modular Reactor», kurz SMR. Das sind Atomkraftwerke im Kleinformat. Bei diesen technologisch anspruchsvollen Konzepten sollen die wesentlichen Komponenten des Primärkreislaufs in einem Modul zusammengefasst werden. Diese können dann transportiert und bei Bedarf zusammengeschaltet werden.
Strom: der Trend zeigt nach oben
Dass in Zukunft wieder vermehrt auf Kernenergie gesetzt wird, hängt nicht nur mit den Klimazielen zusammen, sondern auch mit dem steigenden Strombedarf. Die IAEA geht davon aus, dass die weltweite Stromproduktion bis 2030 um 16 Prozent steigen und sich bis 2050 im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppeln wird. Treiber sind zum einen die wachsende Elektromobilität und zum anderen der Energiehunger leistungsfähiger Rechenzentren. Bei der Elektromobilität prognostiziert die Internationale Energieagentur in ihrem «Outlook 2024», dass ihr Anteil am weltweiten Strombedarf von derzeit 0,5 Prozent auf sechs bis acht Prozent im Jahr 2035 zulegen wird. Der Anteil der Rechenzentren wiederum wird sich nach einer Schätzung von Goldman Sachs von derzeit ein bis zwei Prozent bis zum Ende des Jahrzehnts auf drei bis vier Prozent erhöhen.
In einer Studie verweist Goldman Sachs darauf, dass eine ChatGPT-Abfrage fast zehnmal so viel Strom verbraucht, wie eine klassische Google-Suche. Das stellt KI-Konzerne wie Microsoft, Alphabet oder Oracle vor Probleme. Sie müssen einerseits ihre Daten- und Rechenkapazitäten kräftig ausbauen, dürfen dabei aber anderseits ihre Emissionsziele nicht gefährden. Atomstrom als emissionsarme Energiequelle, die zudem rund um die Uhr zur Verfügung steht, bietet ihnen eine Alternative zum vergleichsweise teuren Strom aus Wind- oder Sonnenenergie. Die Unternehmen handeln bereits. So hat der Softwarekonzern Oracle jüngst Pläne für drei SMRs angekündigt, um eines auf KI ausgerichtetes Rechenzentrum zu betreiben.
In nukleare Power investieren. So geht’s
Mit Strategischen Zertifikaten auf den Vontobel Nuclear Energy Index können Anleger in ein mögliches Comeback der Kernenergie investieren. Der Index enthält etwa 25 Unternehmen, die vom Ausbau der Kernenergie profitieren könnten. Da der Uranabbau am Anfang der nuklearen Wertschöpfungskette steht, kommen auch Uranabbauunternehmen für den Index in Frage. Insgesamt konzentriert sich der Index auf Unternehmen, deren Ziel es ist, zuverlässige und kohlenstofffreie Energie zu erzeugen. Das Strukturierte Produkt partizipiert eins zu eins an der Wertentwicklung des Index – unter Berücksichtigung allfälliger Gebühren. Der Indexsponsor bestimmt im Rahmen der von ihm festgelegten Strategie grundsätzlich eigenständig die Auswahl und Gewichtung der jeweiligen Indexbestandteile und entscheidet auch über Veränderungen im Index. Das Barometer wird als Net-Return-Variante berechnet. Das bedeutet, dass Dividendenzahlungen, andere Ausschüttungen und sonstige Erträge abzüglich länderspezifischer Steuern, Gebühren und dergleichen berücksichtigt werden.