US-Wahlen: Spannung bis zum letzten Tag
Am 5. November wählen die USA ihren nächsten Präsidenten. Die demokratische Kandidatin, Kamala Harris, liegt in den Umfragen knapp vor ihrem Gegner, Donald Trump. Gleichwohl dürfte das Rennen um das Weisse Haus bis zum Schluss offenbleiben. Mit Hilfe zweier Indizes könnten Anleger die aus dem Urnengang resultierenden Opportunitäten systematisch und diversifiziert abgreifen.
Donald Trump vs. Kamala Harris: Seit Monaten elektrisiert der US-Wahlkampf die Massen. Immer wieder greift der 78-jährige Republikaner die amtierende Vizepräsidentin persönlich an und wirft ihr Totalversagen vor. Dagegen schlägt Harris moderatere Töne an und betont die Stärken der USA. «Es ist Zeit, das Blatt zu wenden», erklärt sie mit Blick auf die düsteren Szenarien ihres Gegners gebetsmühlenartig. Nach Ansicht der 59-jährigen ist Amerika bereit für eine «neue und optimistische Generation von Führungskräften».
Was die Zustimmungswerte anbelangt, hat sich das Blatt nach der Rochade in der demokratischen Kandidatur tatsächlich gewendet. Am 21. Juli gab Präsident Joe Biden seinen Rückzug bekannt. Zu diesem Zeitpunkt lag er in landesweiten Umfragen mehr als drei Prozentpunkte hinter Donald Trump. Knapp einen Monat vor den Wahlen kommt Kamala Harris auf eine Zustimmungsrate von 49.3 Prozent. Das Portal RealClearPolitics bescheinigt ihr damit einen Umfrage-Vorsprung von zwei Prozentpunkten.
Umkämpfte «Swing States»
Zu den Besonderheiten des amerikanischen Wahlsystems gehört die Bedeutung der «Swing States». Darunter versteht man Bundesstaaten, in denen die Mehrheiten schwanken. Letztlich reicht ein knapper Sieg, um in einem Bundesstaat sämtliche Wahlmänner und -frauen zu erhalten. Anfang Oktober hatten Trump und Harris die Nase in je drei der sieben am stärksten umkämpften Staaten vorne. In Pennsylvania lagen die Kandidaten gleichauf (siehe Grafik). Es bleibt also bis zum 5. November spannend. An diesem Tag wählen die USA nicht nur den zukünftigen Präsidenten. Zur Abstimmung stehen darüber hinaus alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus sowie 35 von 100 Senatoren. Die Machtverhältnisse in den beiden Kongresskammern spielen für den Präsidenten bei der Umsetzung des Programms eine wichtige Rolle.
Zwei Programme, zwei Strategien
Gespannt fiebert auch die Wall Street dem Urnengang entgegen. Gerade in der Wirtschaftspolitik unterscheiden sich die Anschauungen und Ziele von Demokraten und Republikanern teils markant. Experten der Bank Vontobel haben die Wahlprogramme der beiden US-Parteien genau unter die Lupe genommen und daraus zwei Indizes entwickelt. Hinter diesen Strategien verbirgt sich die historische Erkenntnis, wonach bestimmte Sektoren – und damit auch einzelne Unternehmen – von einer Präsidentschaft profitieren könnten. Entsprechend gross ist der mögliche Einfluss der Wahlergebnisse auf die Aktienkurse.
Ein Schwerpunkt der Demokraten liegt auf den erneuerbaren Energien. Hier möchte Kamala Harris die Politik der Biden-Administration genauso fortsetzen, wie bei der E-Mobilität. Ausserdem stellt sie die Verbesserung der medizinischen Versorgung sowie einen vereinfachten Zugang zu Arzneimitteln in Aussicht. Darüber hinaus versprechen die Demokraten die Förderung von technischen Innovationen sowie eine ordentliche Abdeckung der Staaten mit wichtigen Konsumgütern.
Donald Trump gilt nicht gerade als Freund der grünen Energie. Vielmehr möchte er die US-Ölindustrie unterstützen und auf Atomenergie zurückgreifen. Ein weiteres Kernthema bildet die nationale Sicherheit mitsamt der Förderung von Verteidigungstechnologien. Hinzu kommt eine stärkere Abschottung der USA zugunsten der Fertigung im Inland. Generell stehen Trump und seine Partei für Deregulierung und tiefe Unternehmenssteuern.
Prominente Indexmitglieder
In der Startzusammensetzung der beiden Benchmarks kommen die skizzierten Unterschiede zum Vorschein. Technologie, Industrieunternehmen sowie der Bereich zyklische Konsumgüter geben im Vontobel Democrat 2024 US Election Index den Ton an. Dazu gesellen sich Aktien aus dem Gesundheitswesen und natürlich Spezialisten für regenerative Energie. Prominente Einzelwerte in dieser Auswahl sind der Chiphersteller Broadcom, der Pharmakonzern Eli Lilly, der Eisenbahnbetreiber Union Pacific, die Supermarktkette Walmart oder der Photovoltaikkonzern First Solar.
Der Finanzsektor gilt als potenzieller Nutzniesser einer Deregulierung. So ist es nur folgerichtig, dass diese Branche im Vontobel Republican 2024 US Election Index mit über 15 Prozent gewichtet ist. Zu den Schwergewichten zählen Bank of America und JPMorgan. Trumps Faible für die fossilen Brennstoffe zeigt sich in der Aufnahme der Ölmultis Exxon Mobil und Chevron. Als Profiteure seiner Rückkehr in das Weisse Haus gelten zudem die auf Sicherheitssoftware spezialisierte Palantir Technologies sowie der Luft- und Raumfahrtkonzern GE Aerospace.
Insgesamt sind je 30 Unternehmen in den beiden Indizes enthalten. Die Zusammensetzung ist nicht in Stein gemeisselt, es können jederzeit Veränderungen vorgenommen werden. Dadurch ist sichergestellt, dass die verantwortlichen Experten politischen Kursänderungen in den USA Rechnung tragen.
Geldpolitischer Kurswechsel
So bedeutend der Wahlausgang ist, auf die Wall Street nehmen weitere Parameter Einfluss. Die Geldpolitik ragt heraus. Pikanterweise kommt die US-Notenbank am 6. November, also nur einen Tag nach den Wahlen, zur nächsten Sitzung zusammen. Im September hat die Federal Reserve den Kurswechsel eingeläutet und ihren Leitsatz deutlich um 50 Basispunkte auf die neue Spanne von 4,75 Prozent bis 5,00 Prozent gesenkt. Da der Inflationsdruck langsam schwindet und gleichzeitig die US-Wirtschaft nicht mehr ganz so stark unterwegs ist, dürften die Währungshüter nachlegen. Fed-Präsident Jerome Powell selbst stellt für November und Dezember Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte in Aussicht. Investoren hoffen auf mehr. Anfang Oktober indizierten die Geldmarkt-Terminsätze bis Jahresende eine Reduzierung der «Target Rate» um insgesamt 75 Basispunkte. Dieses Szenario hat die Wall Street beflügelt, der S&P® 500 Index notiert auf Rekordniveau. Kurzum: Auf der Zielgeraden des Börsenjahres 2024 sorgen Real- und Geldpolitik für jede Menge Spannung.