Sanierung bei Volkswagen – gelingt nun der Turnaround der Aktie?
Der Konzern plant seine Sparziele durch Stellenabbau, Abfindungen, Werksschliessungen und betriebsbedingte Kündigungen zu erreichen. Wird es dem von Oliver Blume geleiteten Unternehmen gelingen, den Turnaround durch diese Massnahmen zu erreichen?
Volkswagen (VW) machte entscheidende Fehler
Im Jahr 2015 wurde nachgewiesen, dass der Automobilkonzern die Abgaswerte manipuliert hatte. Eine zentrale Rolle spielte dabei eine Software, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand zur Messung der Stickoxidwerte befand. Das System passte dann die erkannten Werte an, um einen niedrigeren Schadstoffausstoss vorzutäuschen. Diese Manipulation wurde von der US-Umweltbehörde aufgedeckt. Nach weiteren Untersuchungen kam ans Licht, dass diese Software in elf Millionen Fahrzeugen installiert war. Der Konzern mit Sitz in Wolfsburg musste daraufhin insgesamt 32 Milliarden Euro für Strafen, Schadensersatz und Anwaltskosten zahlen.
Ein weiterer Managementfehler bestand darin, die Produktion nicht rechtzeitig auf Elektromobilität und autonomes Fahren umzustellen. Volkswagen unterschätzte zunächst den Trend zur E-Mobilität und konzentrierte sich zu lange auf konventionelle Antriebe. Dies führte dazu, dass Konkurrenten wie Tesla einen erheblichen Vorsprung im Bereich Elektromobilität erlangten. VW musste daraufhin massive Investitionen tätigen, um im Wettbewerb um Elektrofahrzeuge mithalten zu können.
Ökonom Marcel Fratzscher betont zudem, dass Deutschland und damit auch Volkswagen zu stark von China abhängig seien. In einem Interview beim ZDF bemängelte er, dass rund 40 Prozent der Einnahmen weiterhin aus China stammen, wo der Konzern Marktanteile verliert. Chinesische Hersteller sind insbesondere im Niedrigpreissegment mit ihrem Produktangebot besser aufgestellt als Volkswagen.
Standort Deutschland
Deutsche Unternehmen der Automobilindustrie verlagern ihre Produktionsstandorte zunehmend ins Ausland. Hauptgrund dafür sind die im Vergleich zu den Nachbarländern hohen Energiekosten. Eine Analyse des Vergleichsportals „Verivox“ mit den veröffentlichten Daten von GlobalPetrolPrices zeigt, dass der Preis (Stand: 1. Quartal 2024) pro Kilowattstunde in Deutschland bei 0,328 Euro liegt. Im Vergleich dazu beträgt der Strompreis in den USA 0,1695 Euro und in China nur 0,0704 Euro. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 0,1431 Euro, was die im internationalen Vergleich hohen Kosten in Deutschland deutlich macht. Für eine Industrienation wie Deutschland wird es dadurch schwieriger, die Produktion kosteneffizient zu gestalten. Zusätzlich zu den hohen Energiekosten belasten Abgaben, wachsende Bürokratie, fehlende Digitalisierung und Fachkräftemangel die Unternehmen weiter.
Der zunehmende Wettbewerbsdruck aus China stellt ein erhebliches Problem dar. Dank niedrigerer Löhne und Energiekosten können chinesische Unternehmen ihre Dominanz in der Automobilindustrie weiter ausbauen. Zudem profitieren sie von einem geringeren bürokratischen Aufwand und weniger strengen Umweltauflagen, was ihnen zusätzliche Wettbewerbsvorteile verschafft.
Die EU und ihre Bürokratie
Laut einem Artikel der Zeitung „Die Zeit“ haben Politiker der Ampelkoalition mehr Unterstützung von der EU gefordert, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. SPD-Chef Lars Klingbeil forderte in diesem Zusammenhang: „Ursula von der Leyen muss schnell eine ambitionierte Industriestrategie vorlegen, die die europäische Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich stärkt". Ebenfalls bemängelt der FDP-Fraktionschef Christian Dürr die Bürokratie und äusserte sich mit folgendem Statement: „Der Grund für diese Krise ist die absurde europäische Politik, die den Automobilherstellern unzählige Steine in den Weg legt".
Wie soll der Turnaround gelingen? CEO Oliver Blume gegen den Betriebsrat und die IG Metall
Der VW-Konzern plant, durch Preiserhöhungen zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Für nahezu alle Pkw-Modelle mit Verbrennungsmotoren sollen die Preise angehoben werden. Besonders stark betroffen ist der Geländewagen Touareg, dessen Preis um 2.500 Euro steigen soll. Bei den Modellen Taigo und T-Cross ist lediglich eine Anpassung um 500 Euro vorgesehen.
Gleichzeitig plant der Konzern Kostensparmassnahmen in Höhe von rund zehn Milliarden Euro. Das Management hat angekündigt, dabei auch Werksschliessungen und betriebsbedingte Kündigungen in Betracht zu ziehen. Bereits 1988 wurde ein Volkswagen-Werk in Westmoreland, USA, geschlossen, was damals zu starkem Widerstand von Gewerkschaft und Betriebsrat führte. Zudem hat der Konzern bekanntgegeben, die Übernahmeverpflichtungen für Auszubildende aufzuheben. Betriebsbedingte Kündigungen könnten frühestens im Sommer 2025 greifen. Die IG Metall hat sich bereits entschlossen, gegen diese Massnahmen vorzugehen. Laut eines Berichts des ZDF wurde der Vorstand des Konzerns bei der letzten Betriebsversammlung am 4. September 2024 ausgepfiffen. Eine Folge der Konfrontation könnte sein, dass die seit 1994 bestehende Beschäftigungssicherung, die noch bis Ende dieses Jahres läuft, gekündigt wird. Falls bis Sommer 2025 keine Einigung mit der IG Metall erzielt wird, könnte der Konzern auf alte Tarifverträge zurückfallen. Für Volkswagen würde dies bedeuten, dass die Regelungen von vor 1994 wieder gelten, was unter anderem Lohnausgleiche für längere Arbeitszeiten sowie zusätzliche Pausen oder höhere Zuschläge für Mehr- und Samstagsarbeit als deutliche Kostensteigerung zur Folge hätte.