Accelleron – mit voller Kraft voraus
Accelleron, im Jahr 2022 durch eine Abspaltung vom schweizerisch-schwedischen ABB-Konzern entstanden, ist seit dem Börsengang eine Erfolgsgeschichte. Anfang August 2024 veröffentlichte der Hersteller von Abgasturboladern für Dieselgrossmotoren zudem hervorragende Halbjahreszahlen. Unter anderem konnte das Unternehmen seinen Gewinn beinahe verdoppeln – dieser stieg um ganze 88,9 Prozent an. Profitieren konnte Accelleron dabei in erster Linie von einer hohen Nachfrage vonseiten der Reedereien. Viele Seetransporteure stehen unter Druck, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren.
Von ABB Turbo Systems zu Accelleron
Lange bevor Accelleron als eigenständiges Unternehmen das Licht erblickte, wurde im Jahr 1924 im aargauischen Baden (Schweiz) von Brown, Boveri & Cie., einer Vorgängerin der heutigen ABB, der erste kommerzielle Turbolader produziert. Dieser wurde an die schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) ausgeliefert. Dem Voraus ging ein Patent vom Schweizer Ingenieur Alfred Büchi aus dem Jahr 1905, er gilt heute als Erfinder des Turboladers. Bei einem Turbolader handelt es sich um ein Zusatzaggregat, welches in Verbrennungsmotoren aller Art zum Einsatz kommen kann. Ein Turbolader bewirkt eine Steigerung der Leistung und Sparsamkeit eines Verbrennungsmotors, indem dem Motor stärker verdichtete Luft zugeführt wird, und somit der Verbrennungsprozess effizienter ausfällt.
1989 wurde ABB Turbo Systems gegründet, die Abteilung der ABB, aus welcher 33 Jahre später per Spin-Off Accelleron entstand. ABBs Entscheid, sein profitables und geschichtsträchtiges Turboladergeschäft in die Selbstständigkeit zu entlassen, beruhte primär auf einer angestossenen Neuausrichtung des Unternehmens, sich vermehrt auf Automatisierung und Elektrotechnik zu fokussieren. Eine auf Dieselgrossmotoren ausgerichtete Unternehmenssparte schien der Konzernleitung nicht ins Bild zu passen.
Heute produziert Accelleron unter seinem neuen Namen seit 2022 Hochleistungsturbolader primär für Dieselgrossmotoren. In diesem Geschäftsbereich differenziert Accelleron zwischen Motoren mit tiefen, mittleren und hohen Drehzahlen. Accelleron erzielte im ersten Halbjahr 2024 einen Gesamtumsatz von 505 Millionen, wovon 385 Millionen auf die Bereiche Medium & Low Speed entfielen. Geographisch betrachtet erzielte Accelleron den grössten Teil seines Umsatzes in den Regionen Asien, Mittlerer Osten und Afrika. Accellerons Kundschaft ist in erster Linie in der Schifffahrt tätig, wobei die Turbolader auch bei grossen Dieselgeneratoren in der Energieindustrie
zum Einsatz kommen.
Ein florierendes Geschäftsmodell
Accelleron kann von mehreren Faktoren profitieren. Auf der einen Seite steht die Seetransportbranche unter Druck, seine CO2-Emissionen und den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Die riesigen Zweitakt-Schwerölmotoren, mit welchen ein Grossteil der Frachtschiffe ausgestattet ist, verbrennen an einem Betriebstag je nach Route und Auslastung des Frachtschiffs um die 300 Tonnen Treibstoff und setzen dabei eine grosse Menge CO2 frei. Gleichzeitig aber nimmt das globale Handelsvolumen per Seetransport Jahr für Jahr zu. Accellerons Turbolader können einen Verbrennungsmotor nicht nur effizienter, aber auch sparsamer machen. Laut Accelleron sind je nach Art des Motors und Turboladers Effizienzsteigerungen von bis zu 50 Prozent realisierbar. Zudem können auch steigende Dieselpreise und der Trend hin zu kostspieligeren, alternativen Brennstoffen Accelleron Rückenwind verschaffen.
Auch das Wartungsgeschäft ist für Accelleron von grosser Bedeutung und generiert zuverlässig hohe Gewinnmargen. Die Lebensdauer von Accellerons Turboladern kann mehrere Jahrzehnte betragen, jedoch müssen diese regelmässig kontrolliert und gewartet werden. Hierfür verfügt Accelleron über ein erstklassiges, weltweites Netz an Servicestationen in über 50 Ländern. Accelleron garantiert ausserdem, innerhalb von 48 Stunden Ersatzteile für seine Turbolader an alle grösseren Flughäfen der Welt liefern zu können. Dienstleistungsgarantien, die von Accellerons Kundschaft sehr geschätzt werden.
Haben Dieselmotoren noch Zukunft?
Accellerons Geschäftsmodell ist eng mit dem Betrieb von Dieselgrossmotoren verbunden. In Zeiten einer Trendwende hin zur Elektromobilität mag der Gedanke aufkommen, ob Accelleron auf ein falsches Zugpferd setzt. Für industrielle Nutzungszwecke jedoch ist der Verbrennungsmotor nach wie vor sehr schwer zu ersetzen. Nichtsdestotrotz stehen viele Betreiber unter Druck, deren Betrieb effizienter und nachhaltiger zu gestalten.
Im Jahr 2023 akquirierte Accelleron das Unternehmen OMT, einen italienischen Hersteller von Einspritzsystemen für Zweitaktmotoren. Der CEO der Accelleron, Daniel Bischofberger, liess vermelden, dass das Unternehmen durch diese Übernahme seine Marktposition in Bezug auf die alternativen Kraftstofftechnologien gestärkt habe. Der Trend hin zu alternativen Antriebstechnologien wie beispielsweise Dual-Fuel-Motoren im Schiffsverkehr spielt OMT in die Karten. Und auch bei solchen Triebwerken können Turbolader wie diejenigen von Accelleron zu einem höheren Wirkungsgrad beitragen.
Die Zukunft von Dieselmotoren hängt auch von der Entwicklung des Dieselpreises für Frachtschiffe ab. Momentan haben Reedereien aufgrund von hohen Dieselpreisen einen Anreiz, effizienzsteigernde Lösungen wie Accellerons Turbolader zu installieren, um den Betrieb der Motoren zu optimieren. Weiter steigende Dieselpreise oder stärkere Regulierungen könnten die Attraktivität von alternativen Kraftstoffen erhöhen. Da jedoch Dieselalternativen wie e-Fuels oder Biokraftstoffe ebenfalls in einem Verbrennungsmotor zum Einsatz kommen, sieht sich Accelleron mit seiner Produktepalette nach wie vor gut positioniert.