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China bleibt im Anlegerfokus

10. Jan. 2022 | 4 Minuten

Nicht nur aufgrund des Ausbruchs der Corona-Pandemie hat China zuletzt in der Investorengemeinde keinen so positiven Eindruck wie in der Vergangenheit hinterlassen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt aus Anlegersicht kein Potenzial mehr bieten würde.

Wer ist der Nächste?

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte den Handelsstreit mit China kräftig angeheizt. Einige Marktteilnehmer dürften mit dem Einzug des Demokraten Joe Biden in das Weisse Haus die Hoffnung verbunden haben, dass sich die Beziehungen zwischen den Weltmächten entspannen würden. Es kam jedoch anders. Dies wird unter anderem an den in New York börsennotierten chinesischen Unternehmen deutlich. Stellvertretend stehen die Entwicklungen rund um den UBER-Rivalen DiDi. Dieser hatte im Juni 2021 ein beeindruckendes Börsendebüt gefeiert. Allerdings meldeten sich bereits wenige Tage später die chinesischen Aufsichtsbehörden zu Wort. Das Unternehmen räumte ein, einer Datensicherheitsprüfung durch die Cyberspace Administration of China (CAC) zu unterliegen.

Im Fokus standen mutmassliche Verstösse beim Sammeln und Verwenden personenbezogener Daten. Der Druck mündete im Rückzug von der New Yorker Börse. An den Aktienmärkten sorgte dies für Verunsicherung. Es ist möglich, dass weitere Unternehmen dem Beispiel DiDis folgen könnten. Dabei geht es unter anderem darum, dass die US-Behörden wie die Börsenaufsicht SEC mehr Transparenz und Datenherausgabe vonseiten der chinesischen Unternehmen fordern, während eine solche erzwungene Datenherausgabe den chinesischen Offiziellen ein Dorn im Auge ist. Sie fürchten unter anderem die Kontrolle personenbezogener Daten durch ausländische Regierungen. Entsprechend wurden verschiedene Beschränkungen für Unternehmen eingeführt, die immer noch ein Börsendebüt in New York anstreben. Aber auch auf anderen Ebenen macht sich der Handelsstreit bemerkbar.

Im Dezember erliess die US-Regierung neue Investmentbeschränkungen in Zusammenhang mit der Menschenrechtslage in der chinesischen Region Xinjiang. Die Liste mit Unternehmen, mit denen US-Firmen keine Geschäfte tätigen dürfen, wurde erweitert. Ausserdem sieht der «Uyghur Forced Labor Prevention Act» das Verbot der Einfuhr von Waren aus Xinjiang vor, wenn nicht bewiesen werden kann, dass diese nicht in Zwangsarbeit entstanden sind. Diese und andere Faktoren wie die Krise des Immobilienentwicklers Evergrande oder die rigorosen Corona-Massnahmen der chinesischen Regierung dürften das Anlegervertrauen in China geschwächt haben. Allerdings bleiben die mittel-bis langfristigen Aussichten der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt durchaus positiv. Dies wird bei einem Blick auf verschiedene Sektoren deutlich.

Die Mobilität der Zukunft

Schon heute beherbergt China den weltgrössten und wichtigsten Automarkt der Welt. Dieser dürfte in den kommenden Jahren weiteren Schwung erleben. Wegen ihrer hohen Pkw-Dichte scheinen die Automärkte in den USA und Europa weitgehend gesättigt zu sein. In der EU kommen laut European Automobile Manufacturers’ Association (ACEA) 569 Fahrzeuge auf 1'000 Einwohner, während dieser Wert in China nur etwa ein Fünftel so hoch ist. Beijing, die Stadt mit der höchsten Fahrzeugdichte Chinas, steht heute bei 171 Fahrzeugen pro 1'000 Einwohner, so die Beratungsgesellschaft pwc. Der wirtschaftliche Aufstieg und die grösser werdende Mittelschicht ermöglichen einem wachsenden Teil der Bevölkerung, sich ein Auto anzuschaffen. Gleichzeitig erlebet China eine Urbanisierung in Höchstgeschwindigkeit, sodass die Anforderungen an Mobilitätslösungen grösser werden.

Zudem ist China bestrebt, seine CO2-Emissionen zu senken und für bessere Luft in den Städten zu sorgen. Ausserdem soll die heimische Elektroautoindustrie an die weltweite Spitze. Zwar wurden die Subventionen verringert, sie sollen aber gezielter fliessen. Dabei fördert die Pekinger Regierung eine Konsolidierung der heimischen E-Autobranche. Der chinesische Minister für Industrie und Informationstechnologie Xiao Yaqing sagte gegenüber «China Daily», dass die Regierung Fusionen und eine Neuordnung im Elektroautomarkt befürworten würde. Zudem verweist die Pkw-Dichte auch im Elektroautobereich auf Potenzial. Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) kommen 6.1 E-Fahrzeuge in Europa rechnerisch auf 1'000 Einwohner, in China sind es lediglich 3.0.

Eine neue Vision

Die Pekinger Regierung hat nicht nur die Förderung der Elektroautoindustrie im Blick. Eine Reihe von Branchen könnte von dem aktuellen, vierzehnten und bis 2025 angelegten Fünfjahresplan profitieren. Im Gegensatz zu früheren Fünfjahresplänen enthält er keine verbindlichen Ziele, sondern eher Richtlinien. Angestrebt werden neben dem globalen Führungsanspruch beispielsweise die Stärkung der Selbstversorgung, die Verringerung der Abhängigkeit von Importen in vielen Bereichen, die Stärkung des Binnenkonsums oder die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen.

Zentral ist dabei die Abkehr von der auf Industrieexporte spezialisierten «Werkbank» der Weltwirtschaft und die stärkere Konzentration Chinas auf Gebiete der Technologie und Wissenschaft. Neben den Erneuerbaren Technologien sollen Bereiche wie Big Data, Cloud Computing, das mobile Internet der 5. Generation (5G), Künstliche Intelligenz und Elektroautos gefördert werden. Entsprechend sollten Unternehmen aus diesen Bereichen in besonderer Weise von den Investitionsprogrammen der Regierung profitieren können. Darüber hinaus dürften auch Initiativen wie Belt and Road («Neue Seidenstrasse») sowie das Handelsabkommen mit dem Namen «Regional Comprehensive Economic Partnership» (RCEP) chinesischen Unternehmen zugutekommen.

Profiteure einer sich verändernden Gesellschaft

Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas verknüpft die Pekinger Regierung seit vielen Jahren Vorhaben, die Gesellschaft zu verändern. Dabei geht beispielsweise um die Stärkung des Rentensystems und die Stärkung des Binnenkonsums. Entsprechende Ziele sind in den Fünfjahresplänen der Regierung zu finden. Aktuell geht es unter anderem darum, sich stärker auf die Qualität des Wirtschaftswachstums zu fokussieren und nicht auf seine schiere Höhe.

Zudem soll die Lebensqualität der Menschen verbessert werden. Darunter fallen ein Rentensystem, das bis 2025 95 Prozent der Bevölkerung abdecken soll (gegenüber 91 Prozent im Jahr 2020), genauso wie die Erhöhung der Anzahl der Pflichtschuljahre, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung und die Einführung von mehr Kindertagesstätten. Aus der Kenntnis und näheren Analyse der vielen wirtschaftspolitischen Regierungsentscheidungen und Massnahmen lassen sich interessante Anlagethemen ableiten.

Fazit

Ein schwächeres Wirtschaftswachstum, der Fall Evergrande, COVID-19, der Handelsstreit mit den USA sowie das Vorgehen der Pekinger Regierung gegen einige Technologieunternehmen dürften das Vertrauen von Investoren in die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt geschwächt haben. Diese hat jedoch angesichts einer anhaltend starken Konjunktur sowie einer wachsenden Mittelschicht weiterhin Potenzial. Insbesondere, wenn sich der Anlegerblick auf spezielle, von der chinesischen Regierung besonders stark geförderten Bereiche der Wirtschaft richtet.

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