Schweizer Versicherer navigieren Handelskonflikte
Handelspolitische Spannungen und die Angst vor einem nachlassenden globalen Wachstum belasten die Märkte. Während exportorientierte Industrien sich umorientieren, zeigt sich die Versicherungsbranche bislang widerstandsfähig. Schweizer Branchengrössen wie Zurich Insurance, Swiss Life, die neu entstehende Helvetia Baloise sowie der Rückversicherer Swiss Re verfügen über solide Bilanzen und stabile Ertragsquellen. Doch bei Gesellschaften mit hoher US-Exponierung können Währungsschwankungen und eine mögliche Abkühlung der US-Konjunktur zum Risikofaktor werden.
Die Branchenleader schreiten voran
Zurich Insurance profitiert von einer straffen Ausrichtung auf profitable Segmente. Besonders in der Industrieversicherung für mittelgrosse Unternehmen konnte der Konzern seine Profitabilität verbessern, obwohl die Preise in Teilen des Marktes zuletzt nachgaben. Der Schaden-Kosten-Satz sank auf unter 91 Prozent, während der operative Gewinn in der Schadensparte über den Erwartungen lag. Auch im Privatkundengeschäft wurden Preiserhöhungen durchgesetzt, etwa in der Autoversicherung in Europa. Obwohl die Zurich mehr als die Hälfte seines Betriebsgewinns im ersten Halbjahr 2025 in den USA generierte, sollten Zölle keine grossen Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit haben, da Zurich’s Dienstleistungen den US-Kunden in der Regel lokal vor Ort angeboten werden. Sollten jedoch in den USA Rezessionsängste aufkommen, könnten diese den Ausblick im wichtigen US-Geschäft eintrüben. Die Exposition gegenüber dem Dollar-Raum bleibt für Zurich ein Unsicherheitsfaktor.
Im Kerngeschäft der Lebensversicherung konnte Swiss Life im ersten Quartal stabile Ergebnisse verzeichnen und in Frankreich die Prämieneinnahmen steigern, das Asset Management gewinnt jedoch immer mehr an Bedeutung. Insbesondere das im Jahr 2023 ins Leben gerufene Indexgeschäft hat sich als Wachstumstreiber etabliert, nicht zuletzt dank der Abwanderung institutioneller Kunden von der Credit Suisse. Allein im ersten Quartal 2025 flossen 9.3 Milliarden Franken an Neugeldern in diesen Bereich. Parallel bleibt das Immobilienportfolio eine zentrale Stütze. Es dient nicht nur als Kapitalanlage, sondern auch als Absicherung der langfristigen Verpflichtungen aus Lebensversicherungen.
Rückversicherer exponiert gegenüber Konjunkturlage
Auch die Rückversicherer profitieren von höheren Kapitalerträgen, müssen sich jedoch gleichzeitig auf eine Verlangsamung des Prämienwachstums einstellen. Swiss Re erwartet für 2025 nur noch ein reales Plus von rund zwei Prozent (FuW, 09.07.2025), nachdem das Vorjahr noch deutlich dynamischer verlief. Die Belastung resultiert vor allem aus schwächeren Konjunkturaussichten und der Unsicherheit im Zuge der US-Zollpolitik.
Trotzdem hat CEO Andreas Berger den Konzern strategisch neu ausgerichtet. Risikopositionen in problematischen US-Sparten wurden reduziert, Reserven deutlich aufgestockt und Kostensenkungsprogramme angestossen. Ziel ist es, Margen zu stabilisieren und die Ertragsqualität zu verbessern. Dabei setzt Swiss Re vermehrt auf technologische Lösungen, um Risiken präziser zu modellieren – etwa durch KI (Künstliche Intelligenz) -gestützte Naturkatastrophenmodelle, die Kunden präventive Massnahmen ermöglichen.
Insbesondere im globalen Lebens- und Krankenrückversicherungsgeschäft hält der Konzern eine führende Position, zudem baut er im Industrieversicherungsgeschäft (Corporate Solutions) gezielt Marktanteile auf.
Helvetia und Baloise: Fusion für Platz zwei
Im Schweizer Heimmarkt bahnt sich mit der Fusion von Helvetia und Baloise ein Zusammenschluss von grosser Bedeutung an. Gemeinsam wollen sie zur Nummer zwei im Land aufsteigen. Die geografische und geschäftliche Ergänzung verspricht nicht nur Grössenvorteile, sondern auch Synergien von rund 350 Millionen Franken bis Ende des Jahrzehnts.
Diese Synergien sollen aus dem Abbau von Doppelspurigkeiten, einer strafferen Organisation und einer stärkeren Verhandlungsposition beim Einkauf von Rückversicherungsschutz entstehen. Die starke Kapitalbasis mit einer erwarteten SST-Quote (Schweizer Solvenztest-Quote, eine Kennzahl zur Beurteilung der Kapitalausstattung von Versicherungsgesellschaften), von über 240 Prozent verschafft dem neuen Konzern Spielraum für höhere Ausschüttungen. Analysten sehen darin das Potenzial für eine Dividendenrendite im Spitzenfeld der Branche (cash.ch, 01.07.2025). Da Überschneidungen in internationalen Märkten gering sind, sinkt das Risiko von Kannibalisierungseffekten.
Risiken im Auge halten
Trotz solider Fundamentaldaten sind Titel von Schweizer Versicherern nicht frei von Risiken. Vor allem die hohe US-Exponierung einzelner Anbieter wie Zurich und Swiss Re kann in einer potenziellen Rezession belasten, sowohl über die Prämienentwicklung als auch über Währungseffekte. Eine deutliche Abschwächung des US-Dollar zum Franken könnte zudem die Ausschüttungskraft mindern.
Auch klimabedingte Grossschäden bleiben ein Thema. Rückversicherer müssen zunehmend mit Extremereignissen wie Waldbränden, Überschwemmungen oder Hagelstürmen rechnen. Zwar können Prämienmodelle diese Risiken abfedern, doch eine Häufung solcher Ereignisse kann die Schaden-Kosten-Quote belasten.
Gleichzeitig eröffnet die wachsende Risikowahrnehmung neue Geschäftsfelder. Spezialsparten wie Kredit- oder Kautionsversicherungen könnten von den handelspolitischen Spannungen profitieren. Zudem gewinnen innovative Produkte an Bedeutung: von indexbasierten Versicherungslösungen bis zu Katastrophenanleihen, die institutionellen Investoren Zugang zu versicherungstechnischen Risiken bieten.