Jemand muss raus – wer könnte den SMI® verlassen?
Nachdem der Baukonzern Holcim im Juni 2025 sein Nordamerikageschäft unter dem Namen «Amrize» abgespalten hat, sind 21 Titel im Schweizer Leitindex SMI® (Swiss Market Index) vertreten. Sein sollten es gemäss den Indexrichtlinien jedoch nur 20 – einer muss also raus. Wen könnte es erwischen?
Der Swiss Market Index (SMI®) ist der wichtigste Aktienindex der Schweiz und umfasst die grössten und liquidesten Unternehmen, die an der SIX Swiss Exchange gehandelt werden. Zusammen decken diese rund 75 bis 80 Prozent der gesamten Free-Float-Marktkapitalisierung des Schweizer Aktienmarkts ab. Der SMI® dient nicht nur als Stimmungsbarometer der heimischen Wirtschaft, sondern ist auch Basiswert für zahlreiche Anlageprodukte, von ETFs (Exchange Traded Funds) bis hin zu Strukturierten Produkten.
Seit Holcims Abspaltung des US-Geschäfts unter dem Namen «Amrize» im Juni 2025 zählt der Schweizer Leitindex ausnahmsweise 21 Titel. Doch das wird sich bald ändern: Am 20. September steht eine Indexanpassung an. Ein Unternehmen wird den SMI® verlassen müssen, um zur festgelegten Grösse von 20 Titeln zurückzukehren. Die Entscheidung basiert auf einer Selektionsliste, welche die Börsenbetreiberin SIX jeweils Ende Juni erstellt. Diese Liste berücksichtigt zwei ähnlich gewichtete Kriterien: die durchschnittliche Free-Float-Marktkapitalisierung sowie das kumulierte Orderbuch-Handelsvolumen über die vergangenen zwölf Monate. Beide Kennzahlen werden auf Basis des Indexuniversums, dem Swiss Performance Index (SPI®), berechnet.
Free-Float-Marktkapitalisierung
Die Free-Float-Marktkapitalisierung bezeichnet den Börsenwert aller frei handelbaren Aktien eines Unternehmens. Also jene Anteile, die sich nicht in festem Besitz wie bei Grossaktionären, dem Staat oder Gründern befinden.
Um unnötige Fluktuationen im Index zu vermeiden, kommt ein sogenanntes Puffersystem zur Anwendung: Die 18 bestplatzierten Unternehmen auf der Selektionsliste qualifizieren sich automatisch für den Verbleib im SMI®. Die Ränge 19 bis 22 bilden die Pufferzone, hier haben bestehende Indexmitglieder zunächst Vorrang vor neuen Titeln, selbst wenn diese in einzelnen Kennzahlen besser abschneiden. Erst wenn ein neuer Kandidat die Platzierung eines aktuellen Mitglieds in beiden Disziplinen, Marktkapitalisierung und Handelsvolumen deutlich übertrifft, kann es zu einem Austausch kommen.
Zusätzliche Hürden gelten für Unternehmen mit Mehrfachkotierung: Wenn weniger als 50 Prozent ihres weltweiten Handelsvolumens an der SIX abgewickelt werden, müssen sie bei der liquiditätsbasierten Rangliste mindestens Platz 18 belegen, um aufgenommen zu werden und dürfen nicht schlechter als Rang 23 abschneiden, wenn sie bereits im Index vertreten sind.
Was ein Ausschluss für Unternehmen bedeuten könnte
Der SMI® ist für viele institutionelle Anleger und Finanzprodukte ein wichtiger Bezugspunkt für den Schweizer Aktienmarkt. Fällt ein Titel heraus, kann nicht nur dessen Sichtbarkeit sinken, sondern unter Umständen auch die Nachfrage nach der Aktie. Dies kann sich negativ auf die Liquidität auswirken. Auch das Prestige, Teil der obersten Börsenliga zu sein, kann eine Rolle spielen: Für Marktteilnehmer, Medien und potenzielle Mitarbeitende kann die SMI®-Zugehörigkeit Stabilität und Relevanz signalisieren. Trotzdem ist ein Ausschluss kein Abstieg ins Abseits, oft wechseln betroffene Titel in den SMIM® (SMI Mid-Cap-Index, «Mid-Cap» bezeichnet Unternehmen mit mittlerer Marktkapitalisierung), der ebenfalls ein beachteter Index ist.
Trotzdem können institutionelle Anleger, wie beispielsweise Pensionskassen oder Fonds, durch regulatorische Vorgaben verpflichtet sein, nur in Titel aus bestimmten Leitindizes wie dem SMI® zu investieren. Ein Ausschluss aus dem SMI® könnte daher dazu führen, dass diese Investoren ihre Positionen in der betroffenen Aktie reduzieren oder auflösen, was zusätzlichen Druck auf den Kurs und die Liquidität der betroffenen Aktie ausüben könnte.
Kühne + Nagel manövriert durch Handelsstürme
Kühne + Nagel hat ein anspruchsvolles erstes Halbjahr hinter sich. Der Logistikdienstleister spürt die Folgen globaler Unsicherheiten: Eine schwächere Nachfrage im Landverkehr, volatile Frachtpreise und ein belastender Währungseffekt, insbesondere durch den US-Dollar, hinterliessen Spuren in der Bilanz. Während die Transportvolumen in See- und Luftfracht leicht gesteigert werden konnten, fiel der Betriebsgewinn im zweiten Quartal merklich zurück. Trotz dieser Herausforderungen bleibt das Management zuversichtlich und setzt weiterhin auf organisches Wachstum über Marktanteilsgewinne. Die Prognose für das Gesamtjahr wurde jedoch leicht gesenkt.
Die 2023 in den SMI® aufgenommene Kühne + Nagel gehört mit einer Marktkapitalisierung von rund 20 Mrd. CHF (Stand 31.07.2025) zu den Schlusslichtern im Schweizer Leitindex. Auch das Handelsvolumen gehört zu den tieferen Werten der aktuellen Indexmitglieder (cash.ch, 22.07.2025).
Geberit zeigt sich solide
Geberit trotzt der schwächelnden Baukonjunktur mit bemerkenswerter Stabilität. Im ersten Quartal 2025 konnte das Unternehmen den Umsatz organisch um über fünf Prozent steigern – gestützt durch erfolgreiche Produkteinführungen und Sondereffekte im Grosshandel. Die Aktie von Geberit konnte per 31.07.2025 seit Jahresbeginn um rund 20 Prozent zulegen. Trotzdem verzeichnet das Unternehmen eine Marktkapitalisierung von nur rund 21 Mrd. CHF (Stand 31.07.2025), auch ist das Handelsvolumen eher tief und so gehört Geberit aufgrund der Gewichtung der Kriterien ebenfalls zu den Ausschlusskandidaten.
Sonova vor Führungswechsel
Der Hörgerätespezialist aus Stäfa hat ein solides Geschäftsjahr hinter sich, steht aber vor einer Phase des Umbruchs. Sowohl CEO als auch CFO werden 2025 ersetzt. Operativ zeigt sich Sonova in guter Verfassung: Im zweiten Halbjahr stiegen Umsatz und Betriebsgewinn, Marktanteile konnten in allen Bereichen ausgebaut werden. Die neu eingeführten Infinio-Modelle mit KI (Künstliche Intelligenz)-Technologie trafen auf positiven Anklang. Dennoch bleibt das Umfeld herausfordernd. Die Konsumentenstimmung in den USA ist gedämpft, und neue Konkurrenz erhöht den Druck. Durch die tiefe Marktkapitalisierung von rund 13 Mrd. CHF (Stand 31.07.2025) und ein ebenfalls tiefes Handelsvolumen ist Sonova auch von einem Ausschluss bedroht.
Logitech hält dagegen
Logitech hat im ersten Quartal 2025/26 mit soliden Zahlen überrascht und die Erwartungen der Analysten übertroffen. Besonders in Asien, allen voran in China, konnte der Konzern Marktanteile gewinnen – insbesondere im Gaming-Bereich, wo zuletzt noch Aufholbedarf bestand. In den USA hingegen spiegelt sich der Einfluss der neuen Zölle in einem vorübergehenden Rückgang der Verkäufe wider, da Logitech seine Importe gezielt drosselte. Dennoch gelang es dem Unternehmen, die Auswirkungen auf die Profitabilität durch Preisanpassungen und Kostendisziplin abzufedern. Logitech zählt mit rund 13 Mrd. CHF Marktkapitalisierung (Stand 31.07.2025) zu den Werten mit der tiefsten Marktkapitalisierung, jedoch kommt dem Hersteller für Computerzubehör entgegen, dass seine Aktie rege gehandelt wird. Logitechs hohes Handelsvolumen könnte dazu beitragen, dass die Aktie sich vorerst im SMI® halten könnte.
Der Neuling Amrize muss sich behaupten
Mit der Abspaltung von Holcim wurde Amrize im Juni provisorisch in den SMI® aufgenommen. Eine Ausnahme, die bis zur regulären Indexüberprüfung im September gilt. Als doppelt primärkotiertes Unternehmen an der SIX und der New York Stock Exchange (NYSE) muss Amrize jedoch eine besondere Hürde nehmen: Mindestens die Hälfte des weltweiten Handelsvolumens muss in der Schweiz erzielt werden, um dauerhaft im Index zu verbleiben. In den ersten Handelstagen lag das Volumen an der SIX zwar leicht über jenem an der NYSE, doch dieser Vorsprung schmolz rasch. Entscheidend könnte sein, ob Amrize diese Schwelle bis Ende Juni halten kann, ansonsten droht auch Amrize der Ausschluss aus dem SMI®.