Anpfiff für neue Märkte – Frauenfussball als Wachstumstreiber?
Die Fussball-Europameisterschaft der Frauen ist in vollem Gange. Dabei wird nicht nur auf dem Feld um Ballbesitz und freistehende Räume gekämpft – an der Women’s EURO 2025 in der Schweiz kämpfen auch Sponsoren, Sportartikelhersteller und andere Wirtschaftsakteure um die Herzen einer neuen Generation von Fussballfans. Welche Unternehmen sind in der Pole-Position, um vom womöglich anstehenden Frauenfussball-Boom zu profitieren?
Der Frauenfussball erlebt derzeit einen Durchbruch-Moment – die Europameisterschaft der Frauen könnte auch ausserhalb der Stadien für Spektakel sorgen. So sieht dies auch der Präsident der UEFA (Union of European Football Associations), Aleksander Ceferin: «Mit einem Rekordpreisgeld und einem beispiellosen Interesse von Sponsoren wird das Turnier mehr Investitionen in den Frauenfussball bringen als je zuvor.» Der Grundstein für neue Rekorde wurde bereits während der letzten Europameisterschaft der Frauen im Jahr 2022 gelegt – das Turnier in England erreichte Besucherzahlen von über 570 000. Gemäss dem «Pre-tournament impact report», welchen die UEFA zusammen mit der Beratungsgesellschaft EY im Rahmen der Women’s EURO 2025 erstellte, wird unter Anderem erwartet, dass das diesjährige Turnier mit über 600 000 Zuschauern die meistbesuchte Ausgabe wird und damit zusammenhängend die Sponsoringeinnahmen um 145 Prozent steigen. Nielsen Sports, ein Beratungsunternehmen in der Sportbranche, prognostiziert in seinem Bericht «Undervalued to Unstoppable» (2025), dass bis 2030 über 800 Millionen Fans weltweit (mit einem Frauenanteil von 60 Prozent) den Frauenfussball verfolgen könnten – ein Zuwachs zu heute von über 38 Prozent. Somit würde der Frauenfussball in die Top 5 der meistverfolgten Sportarten weltweit aufsteigen.
Boom bei Sponsoren und Medien
Mit mehr als 20 internationalen und lokalen Sponsoren verzeichnet die Women’s EURO 2025 einen Rekord an kommerziellen Partnern. Marken wie Adidas, Visa, Coca-Cola und Amazon möchten das Turnier als Plattform nutzen, um ihre Präsenz im Frauenfussball zu etablieren und verstärken.
Diese und weitere Marken profitieren dabei unter anderem vom sogenannten «Unbundling». Dabei handelt es sich um einen Beschluss der UEFA aus dem Jahr 2018, die Sponsoring-Pakete für Frauenfussballevents vom Männerfussball zu entkoppeln. Dank dieser Entscheidung konnten in den Folgejahren eigenständige Budgets für den Frauenfussball entstehen, wodurch die Geldflüsse erhöht wurden.
Diese Entwicklungen führen zusammen mit einer breiteren Medienabdeckung dazu, dass für die Women’s EURO 2025 rekordverdächtige Resultate erwartet werden: Laut der NZZ könnte das Turnier Einnahmen von rund 130 Mio. Euro generieren – mehr als eine Verdopplung verglichen zur Women’s EURO 2022 und rund zehnmal so viel wie das vorletzte Turnier 2017 in den Niederlanden.
Sportmarken setzen auf Frauenfussball
Für Sportartikelhersteller und Ausrüster könnte der Frauenfussball zu einem dynamischen Wachstumstreiber werden. Der US-amerikanische Hersteller Nike hat in den vergangenen Jahren massiv in Frauenkollektionen investiert und hob hervor, in den kommenden Jahren seine Frauenfussballpalette stark weiterentwickeln zu wollen (Nike, 17.07.2023). Bereits 2019 avancierte das Trikot der US-Nationalmannschaft zum meistverkauften Fussballshirt auf der Nike-Website – über alle Geschlechter hinweg.
Vor der Frauen-WM 2023 stellte Nike seinen ersten Fussballschuh speziell für Frauen vor, den Phantom Luna, um gezielt auf die anatomischen Bedürfnisse von Spielerinnen einzugehen.
Auch Adidas profitiert: Als offizieller Ball-Lieferant der Women’s EURO 2025 und Trikotsponsor mehrerer Nationalmannschaften meldete die Marke bereits während der Frauen-WM 2023 Rekordabsätze seiner Frauenfussball-Produkte (Reuters, 03.08.2023). In einigen Ländern waren Frauen-Trikots bereits nach wenigen Spieltagen ausverkauft. Im Vergleich zur WM 2019 hat Adidas die Produktion der Trikots nahezu verdoppelt, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden.
Puma setzt dieses Jahr auf den Heimvorteil: Als Ausrüster der Schweizer Nationalmannschaft könnte das Unternehmen weiter von der nationalen Aufmerksamkeit profitieren und bei neuen Fans in den Fokus rücken. Der Frauenfussball bietet die Chance, in einem bislang nur schwach versorgten Markt neue Zielgruppen zu erschliessen und das Geschäft abseits des weitgehend gesättigten Männerfussballs signifikant auszubauen.
Langfristige Wachstumsmöglichkeiten
Der aktuelle Boom könnte mehr sein als ein kurzlebiger, turnierbedingter Aufschwung: So könnte die Zahl der aktiven Spielerinnen und jungen Fans in ganz Europa und besonders in der Schweiz signifikant ansteigen. Nach der Europameisterschaft 2022 verdoppelte sich in England die Zahl der Mädchen, die in Vereinen Fussball spielen (Englandfootball, 09.02.2024). Auch in Deutschland und Spanien verzeichnen die Verbände neue Höchststände bei Mitgliedschaften und Zuschauerzahlen in den Frauenligen. Die UEFA prognostiziert in seinem Report «The Business Case for Women’s Football» (2022), dass der kommerzielle Wert des europäischen Frauenfussballs bis 2033 auf fast 700 Millionen Euro pro Jahr wachsen könnte. Für Sponsoren und Ausrüster bieten sich damit langfristige Chancen auf Kundengewinnung in einer jungen, digitalen und werbeaffinen Zielgruppe.