Investors’ Outlook: US-Zölle – Der Tanz ist eröffnet
Die Anleger hatten im letzten Monat einiges zu verarbeiten – ein stärkeres Wirtschaftswachstum, die anhaltende Inflation und geopolitische Spannungen. Das Multi Asset Team hält an seiner Prognose eines stetigen Wachstums, einer moderaten Inflation und einer weiteren Lockerung der Geldpolitik durch die Zentralbanken fest, wovon Aktien gegenüber Anleihen profitieren könnten.
Die Angst vor einem Handelskrieg nahm zu, als eine Schlagzeile die nächste jagte – sei es zu Zöllen auf chinesische Waren oder auf sämtliche Stahl- und Aluminiumimporte sowie Autos, Pharmazeutika und Halbleiter. Dies schlug sich auf die Konsumstimmung nieder und führte zu Inflationssorgen. Nimmt man allerdings den ersten Handelskrieg zwischen den USA und China als Anhaltspunkt, ist es unwahrscheinlich, dass Zölle allein zu einem nachhaltigen Anstieg der Warenpreise führen. Stärkere Inflationsrisiken könnten hingegen von Massenabschiebungen ausgehen, die das Arbeitskräfteangebot verknappen und die Löhne in die Höhe treiben, oder von einer verschärften Haltung der USA gegenüber dem Iran. Allerdings dürfte ein aggressives Vorgehen gegen den Iran eher unwahrscheinlich sein. Obwohl die US-Inflation im Januar unerwartet hoch ausfiel, dürfte es keinen anhaltenden Trend signalisieren. Zu Jahresbeginn kommt es häufig zu Inflationsspitzen, da viele Unternehmen ihre Preise zu diesem Zeitpunkt anpassen.
Vor diesem Hintergrund dürfte es Spielraum für einige Zinssenkungen in diesem Jahr geben. Derzeit sind die Märkte vorsichtig und preisen lediglich 36 Basispunkte (Bp.) an Zinssenkungen der US-Notenbank Fed für 2025 ein. Die Fed wird bei ihrer Sitzung im März aber ihre Prognose (bislang 50 Bp.) aktualisieren. Angesichts der schwachen Konjunktur in Europa könnten die EZB und die Schweizerische Nationalbank ihre Lockerungen beschleunigen.
«Zölle sind das schönste Wort im Wörterbuch!» – Donald Trump
Der Handelsprotektionismus hat eine lange Tradition in den USA. Aber funktionieren solche Massnahmen? Da die USA erneut Zölle und Handelsbeschränkungen erhöhen, lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Geschichte, die Auswirkungen und die mögliche Zukunft protektionistischer Massnahmen zu werfen.
Zölle waren in den USA schon immer ein beliebtes Mittel, um die eigenen Ziele durchzusetzen. Der «Tariff Act» von 1816 beinhaltete eine Steuer von 25 Prozent auf Woll- und Baumwollwaren, die aus dem Ausland eingeführt wurden. Dies führte zu einem Haushaltsüberschuss und half, die Industrialisierung weiter voranzutreiben. Spätestens der «Morill Act» von 1861 leitete endgültig eine Phase des anhaltenden (oftmals von republikanischen Präsidenten vorangetriebenen) Protektionismus ein, die bis zur Verabschiedung des «Underwood-Simmons Tariff Act» andauern sollte. Die Wende kam mit dem nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedeten «General Agreement on Tariffs and Trade» (1948), das den Grundstein für die Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1995 legte. Damals wie heute fusst das Grundkonzept der WTO darauf, Handelshemmnisse abzubauen, die Marktöffnung weiter voranzutreiben und die Integration von Entwicklungsländern in die Weltwirtschaft zu verbessern.
Während gemeinhin angenommen wird, dass Freihandel und Liberalisierung am Ende des Tages allen zugutekommen, haben sie auch die ein oder andere negative Begleiterscheinung. So hat sich z.B. das US-Handelsdefizit mittlerweile auf –USD 118,7 Milliarden ausgeweitet. Die USA importieren also deutlich mehr, als sie exportieren. Handelsdefizite können sich negativ auf die heimische Wirtschaft auswirken – beispielsweise auf die Produktivität, den Arbeitsmarkt oder die Zinsen, die ein Land zahlen muss.
Bereits Ende des letzten Jahrhunderts – also zu einer Zeit, als die Welt noch voller Freihandelseuphorie war – machte ein gewisser Donald Trump seinem Frust über die Missstände im Handel Luft. Im Gespräch mit Showmaster Larry King konstatierte Trump 1987: «Viele Menschen sind es leid zuzusehen, wie andere Länder die USA ausnehmen. Dies ist ein grossartiges Land.» (Frontline). Mitte 2016 wurde Trump noch deutlicher. In einer Wahlkampfrede vor Mitarbeitern eines Metallrecycling-Unternehmens beschuldigte Trump seine Rivalin Hillary Clinton, einen «Handelskrieg» gegen die amerikanischen Arbeitnehmer angezettelt zu haben. Die Demokratin habe «schreckliche Abkommen (...) von NAFTA (North American Free Trade Agreement) über China bis Südkorea» unterstützt. Eine Trump-Regierung werde diesen «Krieg» beenden und einen «fairen Deal» für das amerikanische Volk erzielen (Time, 28.06.2016).
Was folgte, ist Geschichte. Im Januar 2018 verabschiedete Trump eine Reihe von Zöllen und Handelsbarrieren. Der Grossteil der Massnahmen richtete sich gegen die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt, China, aber auch andere Länder bekamen Trumps Unmut zu spüren. Wenige Monate später erreichte der Konflikt mit der Einführung eines Zolls von 25 Prozent auf chinesische Waren (und chinesischen Vergeltungszöllen) bereits seinen Höhepunkt. Im Januar 2020 unterzeichneten beide Seiten eine Art Waffenstillstand, das «Phase-Eins-Abkommen». China verpflichtete sich darin, seine Einfuhren aus den USA innerhalb von zwei Jahren um USD 200 Milliarden zu erhöhen.
2025: Die Rückkehr des Handelskriegs
2025 steht ganz unter dem Motto «Handelskrieg 2.0». Im Fokus sind dabei einmal mehr Länder, die einen Handelsüberschuss gegenüber den USA aufweisen. Los ging es mit Zöllen von 25 Prozent auf Importe aus den Nachbarländern Mexiko und Kanada, sowie 25 Prozent auf Aluminium und Stahl und 20 Prozent auf alle chinesischen Waren. Zudem hat Trump Zölle von 25 Prozent auf Autos, Medikamente und Halbleiterchips in Aussicht gestellt.
Also, warum liebt Trump Zölle? Viele US-Präsidenten vor ihm haben Zölle gemocht, aber warum geht Donald Trump noch einen Schritt weiter und hält sie für «das schönste Wort im Wörterbuch» (Bloomberg, 21.01.2025)? Dafür gibt es wohl drei Gründe: Erstens sieht er Zölle als Quelle für Staatseinnahmen, mit denen man das fiskalische Defizit der USA verbessern und Wahlkampfversprechen finanzieren kann. Grosses Trump-Vorbild ist dabei William McKinley, ein «grosser Präsident», der die USA laut Trump «sehr reich gemacht» habe (Washington Post, 27.01.2025). Trumps Bewunderung für McKinley geht sogar so weit, dass er die Umbenennung des grössten Bergs Nordamerikas (ehemals Denali) wieder zurück auf «Mount McKinley» (Weisses Haus, 2025) in die Wege geleitet hat. Zweitens ist Trump der Meinung, dass Zölle dem Schutz wichtiger nationaler Wirtschaftszweige dienen – sei es, um die technologische Vorherrschaft in der Halbleitertechnologie zu schützen oder Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie zurück nach Hause zu verlagern («Re-Shoring» statt «Off-Shoring»). Drittens sieht er Zölle auch als Verhandlungsinstrument, um andere Interessen durchzusetzen, z.B. um die Fentanyl-Krise zu bekämpfen oder die Militärausgaben anderer NATO-Mitglieder (Nordatlantikpakt-Organisation) zu erhöhen.
Abwärtsrisiken für die Wirtschaft, nur bedingte Aufwärtsrisiken für die Inflation
Anleger dürften sich im Falle eines umfassenden «Handelskrieges 2.0» mehr Sorgen um die globale (und US-amerikanische) Wirtschaft als um die Inflation machen. Warum? Etwas vereinfacht gesagt, schaden Zölle so ziemlich jedem Wirtschaftsteilnehmer: Sie sorgen für Unsicherheit, sowohl auf Unternehmens- als auch auf Konsumentenseite. Treibt man es zu weit, schrauben die Unternehmen ihre Investitionspläne zurück und stellen weniger Arbeitnehmer ein, während die Konsumenten den Gürtel enger schnallen. Dies bekommen dann wiederum die Unternehmen zu spüren. Irgendwann mündet das Ganze in einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale. Kommt es zu einer Wirtschaftsabkühlung, lösen sich etwaige «Inflationsprobleme» böse gesagt «von selbst».
Wirft man einen Blick auf die Grafik unten, wird deutlich, dass schon der «Handelskrieg 1.0» nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die US-Güterinflation hatte. Eine der wenigen Ausnahmen bildeten die Zölle auf Waschmaschinen und deren Teile, die in einigen Fällen bis zu 50 Prozent betrugen. Seit Ende 2018 begannen jedoch auch diese Preise wie der zu sinken (Coalition for a Prosperous America, 16.01.2024). Vielleicht hat der neue US-Finanzminister Scott Bessent Recht mit seiner Theorie, dass «Zölle gar nicht inflationär sein können, denn wenn der Preis der einen Sache steigt, haben die Menschen weniger Geld für andere Sachen zur Verfügung»… (US-Finanzminister Scott Bessent in der Larry Kudlow Show, November 2024)?
Fazit: Handelskriege funktionieren wahrscheinlich nicht
Kurzfristig können Zölle für gehörig Nervosität am Markt sorgen. Langfristig funktionieren sie nicht. Die von China im Rahmen des «Phase-Eins-Abkommens» versprochenen höheren US-Einfuhren z.B. wurden bis heute nicht er- reicht. Manches davon kann man mit der Corona- Pandemie und dem damit einhergehenden temporären Einbruch des weltweiten Handels wegerklären – aber nicht alles.
Dies liegt sicher auch daran, dass die betroffenen Länder die negativen Effekte höherer Zölle durch verschiedene Massnahmen abfedern können. Eine Möglichkeit ist, sich alternative Exportrouten zu suchen. Während beispielsweise Chinas Exporte in entwickelte Märkte über die Jahre deutlich zurückgegangen sind (vor Ausbruch des Handelskrieges: knapp 60 Prozent, Ende 2024: nur noch rund 50 Prozent, gemessen in Prozent der Gesamtexporte), sind die Exporte in andere Länder deutlich gestiegen. Besonders in Ländern wie Vietnam (Nähe zu China) oder Mexiko (Nähe zu den USA) florierte der Handel plötzlich (Vietnams Handelsbilanzüberschuss mit den USA erreichte letztes Jahr ein Rekordhoch von über USD 123 Milliarden, was einem Anstieg von fast 20 Prozent entspricht).
Eine weitere Möglichkeit ist, die eigene Währung abzuwerten, um die negativen Effekte höherer Zölle etwas abzufedern – ein Phänomen, das sich auch während des «Handelskrieges 1.0» beobachten liess. Peking liess den Yuan damals auf einen Kurs von über CNY 7 pro US-Dollar fallen – so schwach war der Yuan zuletzt während der globalen Finanzkrise (2008). Obwohl sich Chinas Präsident Xi Jinping wiederholt für eine «stabile» Währung stark gemacht hat, ist nicht auszuschliessen, dass China im Falle einer Handelskriegs-Eskalation seine Währung erneut abwertet. Der chinesische Yuan darf sich um 2 Prozent beiderseits eines von der Zentralbank festgelegten täglichen Mittelwerts bewegen.
Bei einem Blick auf die Grafik unten wird auch deutlich, dass das erhoffte «Re-Shoring» von Arbeitsplätzen eher schlecht als recht funktioniert. Eines der grössten Hindernisse für die Rückverlagerung der Produktion ist das Lohngefälle zwischen den USA und anderen Ländern. Nach Angaben des Bureau of Labor Statistics verdiente ein Arbeiter im verarbeitenden Gewerbe in den USA Mitte 2024 fast USD 30 pro Stunde, verglichen mit etwa USD 7 pro Stunde in China. In anderen Ländern war der Lohn sogar noch tiefer. Zusammen mit den häufig ebenfalls höheren Kosten für z.B. die Einhaltung von Sicherheits- oder Umweltstandards führt dies zu höheren Produktionskosten für die US-Unternehmen und damit zu einer Verringerung der Gewinnmarge.
Auch rein rechnerisch dürfte es für Trump schwierig werden, in die Fussstapfen des «Zollkönigs» McKinley zu treten. McKinley regierte zu einer Zeit, in der die Staatsausgaben weniger als 5 Prozent des Bruttoinlandproduktes ausmachten. 2023 lagen die Staatsausgaben bei über 22 Prozent (MeasuringWorth, 2010). Gemäss Berechnungen des «Congressional Budget Office» werden sie in den nächsten Jahren weiter. Übersetzt heisst das: Die heutige US-Regierung kann gar nicht rein mit Zöllen finanziert werden.
Gemäss einer Umfrage des CATO-Instituts haben 55 Prozent der befragten US-Amerikaner eine positive Sicht auf den internationalen Handel. 53 Prozent haben eine positive Sicht auf den freien Handel. Nur 34 Prozent bewerten Zölle als etwas Positives. Entsprechend ist es gut möglich, dass Donald Trump mit seiner «Maximum Pressure»-Methode bei der Handelspolitik primär gute «Deals» bezüglich der wirklich wichtigen Sorgen der US-Bevölkerung herausholen möchte. Denn höhere Handelszölle selbst interessieren seine Wähler wenig. Laut CATO-Institut geht es den Wählern vor allem um die Inflationsbekämpfung, das Gesundheitswesen und die Wirtschaft (CATO Institute, 2024).
Die Reaktion der US-Notenbank Fed ist entscheidend
Eine der entscheidenden Fragen aus Anlegersicht ist, ob die Fed seit dem letzten Handelskrieg dazugelernt hat. Die Fed hatte bereits Ende 2016 begonnen, einen Straffungszyklus einzuläuten. In den Jahren 2017 und 2018 erhöhte sie weiter die Zinsen (sie erhöhte also «in den Handelskrieg hinein»). Im Sommer 2019 musste die Fed einknicken und die Zinsen wieder senken. Der Grund? Nervöse Aktienmärkte und zunehmende Wachstumssorgen. Entsprechend wichtig wäre, dass die Fed dieses Mal die temporären Preisanstiege auch als solche erkennt und nicht mit einer restriktiveren Geldpolitik reagiert.
Die US-Notenbank tanzt den Stehblues
Der Verbraucherpreisindex vom Januar deutet darauf hin, dass der Inflationsdruck anhält. Die Zwei- und die Zehnjahres-Breakeven-Inflationsrate erreichten ein Mehrjahreshoch. Während der Five-Year / Five-Year-Forward stabil bleibt, haben die kurzfristigen Erwartungen die Anleger verunsichert. Unterdessen bleibt die US Notenbank Fed bei ihrer vorsichtigen Haltung und fordert eindeutige Beweise für eine Disinflation, bevor sie die Zinsen senkt. Die Märkte preisen 1,6 Zinssenkungen für 2025 ein, was etwa 40 Bp. entspricht, während die Fed eine grössere Bewegung von 63 Bp. in Aussicht stellt.
Trotz der heftiger Marktreaktion bestätigten die Januar Inflationszahlen lediglich einen Trend, der sich schon lange in den Daten abgezeichnet hat. Die grössten Bewegungen gab es bei den Breakeven-Inflationsraten. Diese spiegeln die vom Markt implizierten Inflationserwartungen wider, indem sie die Renditen nominaler und inflations- gebundener Staatsanleihen miteinander vergleichen. Ihr Anstieg signalisiert, dass Anleger über die Laufzeit einer Anleihe hinweg mit einer höheren Inflation rechnen.
Die Breakeven-Inflationsraten über kürzere Zeiträume erreichten Zweijahreshochs, aber auch längerfristige Kennzahlen stiegen auf mehrjährige Höchststände. Unterdessen blieb der Five-Year / Five-Year-Forward stabil, aber steigende Kurzfrist-Erwartungen verdeutlichen die wachsende Besorgnis des Marktes im Hinblick auf die Inflationsrisiken. Die Fed sieht sich durch die Daten in ihrer geduldigen Herangehensweise bestärkt. Ihr Vorsitzender Jerome Powell erklärte kürzlich, die Fed werde auf ein paar Monate mit starken oder schwachen Daten nicht überreagieren – und das sollten die Märkte auch nicht tun.
Die Markterwartungen für Zinssenkungen der Fed in diesem Jahr schwanken zwischen einer und zwei Senkungen, wobei derzeit 1,6 Senkungen (40 Bp.) ein gepreist sind. Fast zwei Monate nach Jahresbeginn stehen noch sieben Sitzungen des Offenmarktausschusses (FOMC) an, wobei eine Pause im März sehr wahrscheinlich, im Mai so gut wie sicher und im Juni noch offen ist – es bleiben also noch vier Sitzungen für potenzielle Massnahmen.
Trotz zahlreicher Erlasse, Ernennungen und politischer Massnahmen bleiben die Renditeaufschläge – gestützt durch eine anhaltende renditegetriebene Nachfrage und robuste Fundamentaldaten – bemerkenswert stabil. Die Renditeaufschläge verharren auf einem aussergewöhnlich niedrigen Niveau, was den Spielraum für eine weitere Verengung begrenzt und die Anfälligkeit für negative Marktentwicklungen oder wirtschaftliche Schocks erhöht. Aufgrund des geringeren Puffers sind Anleger möglicherweise einem höheren Risiko ausgesetzt.
«Objekte im Rückspiegel sind näher, als sie erscheinen»
Der typische Sicherheitshinweis auf dem Beifahrerspiegel – «Objekte im Rückspiegel sind näher, als sie erscheinen» – ist eine treffende Analogie für Chinas unlängst bekannt gewordenen Durchbruch bei der künstlichen Intelligenz (KI). Die im Januar vermeldete bahnbrechende Entwicklung von DeepSeek war ein Weckruf und beweist, dass China ungeachtet aller Rückschläge ein ernstzunehmender Konkurrent im globalen KI-Wettbewerb bleibt.
Anfang 2025 prägten geopolitische und wirtschaftliche Ereignisse das Geschehen, dominiert von der US-Politik. Von Friedensgesprächen zur Beendigung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine, bei denen die europäischen Verbündeten aussen vorgelassen wurden, bis hin zur drohenden Gefahr globaler Zölle und den Vermittlungsbemühungen Washingtons im Nahen Osten – die USA bestimmten die globale Tagesordnung.
Aber auch in China gab es keinen Stillstand. Zur Unterstützung der Märkte stellt die People's Bank of China Liquidität bereit, senkt die Zinssätze und fördert das Kreditwachstum. Unterdessen lässt Peking die Phase der harten Hand gegenüber Technologie- und Immobilienunternehmen hinter sich und konzentriert sich nun auf Massnahmen zur Wiederbelebung wichtiger Branchen. Auch die direkten Interventionen an den Aktienmärkten wurden intensiviert. Sie senden ein klares Signal, dass die Stabilisierung der Anlegerstimmung nun Priorität hat. Das Multi Asset Team rechnet für die kommenden Monate mit weiteren staatlichen Anreizen zur Belebung von Konsum und Investitionen. Nach Jahren der wirtschaftlichen Probleme könnte endlich ein Wendepunkt in Sicht sein. In diesem Umfeld erkennen könnte es strukturelle Chancen bei Schlüsselsektoren geben in einem Markt, der im Vergleich zu den Volkswirtschaften der Industrieländer immer noch mit einem erheblichen Abschlag gehandelt wird. Huawei und DeepSeek stärken Chinas Rolle als globaler Wettbewerber durch Fortschritte bei Halbleitern und KI. Im Bereich der grünen Energien bleibt China die dominierende Kraft bei Elektrofahrzeugen, Solarmodulen und der Batterieproduktion und schwimmt damit auf der Welle der globalen Energiewende mit. China bleibt eine führende Exportnation – das industrielle Herz der Welt mit einer starken Nachfrage nach Technologie- und Industriegütern. Daher dürften chinesische Hersteller Zölle abfedern können.
Das Multi Asset Team sieht auch Chancen für eine Wiederbelebung der ausländischen Investitionen, begünstigt durch die Stabilisierung der Zinsen in den USA und wirksamere Konjunkturanreize in China. Nach Jahren der negativen Stimmung dürfte ein Grossteil des Pessimismus eingepreist sein. Jede positive Veränderung auf politischer Ebene und jede fundamentale Verbesserung könnte somit eine kräftige Erholung nach sich ziehen.
Kaffee – das neue «schwarze Gold»?
Der Autor und Umweltschützer Edward Paul Abbey konstatierte einmal, dass die amerikanische Kultur «von Kaffee und Benzin» lebt, wobei «das erste oft wie das zweite schmeckt» (Down the River, Edward Abbey). Während der dem Benzin zugrundeliegende Rohstoff Rohöl seit Monaten in einer recht komfortablen Spanne von USD 70 bis 75 pro Barrel handelt, scheinen die Preise für die kleinen Bohnen nur eine Richtung zu kennen: nach oben.
Seit Beginn des Jahres 2024 hat die qualitativ bessere (weil weniger bittere) Sorte Arabica um mehr als 100 Prozent zugelegt. Die «kräftigere» Robusta-Bohne verteuerte sich um mehr als 90 Prozent. Viel davon hat mit dem Wetter zu tun.
Brasilien, das für knapp 40 Prozent der globalen Kaffeeproduktion verantwortlich (und der grösste Arabica-Produzent) ist, wurde von einer Mischung aus Frost und langanhalten der Trockenheit heimgesucht (US Department of Agriculture, 2024). Der weltweit zweitgrösste Produzent Vietnam (der wichtigste Robusta-Produzent) hatte mit einer Kombination aus Dürre und starken Regenfällen zu kämpfen. Das hat die Ernteerträge und damit das Angebot auf dem Markt deutlich reduziert. Besonders angespannt war die Situation bei Arabica-Bohnen, die von den grossen Kaffeeketten bevorzugt werden.
Weiterer Aufwärtsdruck ging von allgemein steigenden Produktionskosten aus, z.B. durch höhere Transport- und Lohnkosten. Es gab auch Berichte, dass einige Landwirte zögerten, ihre Bohnen zu verkaufen, in der Hoffnung auf noch höhere Preise in der Zukunft. In den letzten Wochen spielten auch geopolitische Entwicklungen wie die (wenn auch nur vorübergehenden) Sanktionsdrohungen Donald Trumps gegen Kolumbien (8 Prozent der globalen Kaffeeproduktion) eine Rolle.
Die explodierenden Preise haben dazu geführt, dass grosse Lebensmittelunternehmen die Preise erhöht haben. Trotzdem bleibt die Nachfrage nach Kaffee (vorerst) stark. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Kaffee – je nachdem, wen man fragt – entweder als unabdingbares Grundnahrungsmittel oder aber als Luxusgut gilt, auf das man nicht verzichten möchte. Solange es nicht zur Nachfragezerstörung kommt und solange die Ernte nicht besser ausfällt, könnte die Hausse noch etwas weitergehen. Fürs Erste geht Brasiliens Agentur für Ernteprognosen Conab davon aus, dass die brasilianische Kaffeeernte 2025/26 auf 51,81 Millionen Säcke (um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr) fallen wird.
Das Beispiel Kakao zeigt aber auch, dass die Märkte selbst bei Luxusgütern irgendwann der Appetit vergeht: Der erfolgsverwöhnte Rohstoff (starker Anstieg in 2024) hat bis zum Redaktionsschluss im Jahr 2025 bereits wieder einen Teil seines Wertes verloren.
US-Dollar nahe 40-Jahres-Hoch: Ist ein Wendepunkt erreicht?
Der Trade-Weighted Real Dollar Index nähert sich einem 40-Jahres-Hoch, angetrieben durch höhere US-Zinssätze, Kapitalzuflüsse und die Nachfrage nach sicheren Häfen für die Kapitalanlage. Nach Jahren der Stabilität in der Zeit nach 2008 stieg der US-Dollar ab 2015 an, da die US-Renditen die globalen Renditen übertrafen. Dies veränderte die Handels- und Investitionsströme.
Der Index misst inflationsbereinigt den US-Dollar-Wert gegenüber Währungen der wichtigsten Handelspartner und gibt so ein präziseres Bild seiner Kaufkraft und Wettbewerbsfähigkeit als nominale Messgrössen. Währungen aus Ländern mit engen Handelsbeziehungen zu den USA haben dabei mehr Gewicht. Wie die Grafik unten zeigt, stieg der Dollar in den letzten zehn Jahren stetig. Nach der Finanzkrise 2008 / 2009 bewegte er sich zunächst in einer festen Bandbreite. Ab 2015 gewann er an Schwung, als die US Notenbank Fed die Zinsen erhöhte, während die EZB und die Bank of Japan die Leitzinsen nahe oder unter null hielten. Höhere US-Renditen machten auf US-Dollar lautende Vermögenswerte attraktiver und stärkten so die Währung weiter. Mit den realen Dollarbewertungen nahe eines 40-Jahres-Hochs rücken die Folgen für Handel, Investitionen und die globale Finanzstabilität in den Fokus.
Die kurzfristige Entwicklung des Dollars bleibt eng mit der Zollpolitik verbunden. Während eine harte Linie in der Vergangenheit die Währung gestützt hat, wird die jüngste scharfe Rhetorik zunehmend als strategisches Manöver angesehen, was ihre Wirkung dämpft. Jenseits der Handelsunsicherheit bleiben die wirtschaftlichen Fundamentaldaten die stärkste Säule der Dollarstärke. Der Optimismus in Bezug auf das US-Wachstum ist ungebrochen, aber da sich die Wirtschaft nun in einer späteren Zyklusphase befindet, sind die Abwärtsrisiken höher als noch vor einem Jahr. Anfang 2025 dominiert Optimismus für die USA, wodurch der Dollar anfällig für Anzeichen einer Underperformance wird.
Die Euro-Erholung gegenüber dem US-Dollar ergibt sich aus nachlassender Dollar-Hausse-Stimmung und Unsicherheiten in Bezug auf die US-Handelspolitik. Während Zölle weiterhin ein Hauptrisiko darstellen, herrscht wenig Klarheit darüber, wie sie sich entwickeln werden. Sollte der von Donald Trump vorgeschlagene wechselseitige, länderspezifische Ansatz umgesetzt werden, könnte dies Spielraum für Verhandlungen bieten und die Dollar Hausse-These möglicherweise schwächen. Es ist noch zu früh, um von einer dauerhaften Trendwende beim Euro / US-Dollar-Kurs zu sprechen, da die Entwicklung eher aus der Schwäche des US-Dollars als aus einer grundlegenden Stärke des Euro zu resultieren scheint. Optimismus über einen möglichen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland könnte, den Euro weiter stützen. Ein stärkerer Euro/US-Dollar-Kurs in einem «Risk-on» Umfeld könnte auch andere Währungspaare beflügeln, wobei der Euro / Franken-Kurs zu den Profiteuren gehören dürfte.