Der Wind hat gedreht
Nahezu chancenlos waren zahlreiche Sektoren in dem zuletzt von den Technologiewerten angetriebenen Börsenaufschwung. Nun aber scheint Rotation das Thema an den Aktienmärkten zu sein. Ein Umschichten in die während der Hausse verschmähten Branchen könnte also eine sinnvolle Anlagestrategie darstellen.
Nahezu chancenlos waren zahlreiche Sektoren in dem zuletzt von den Technologiewerten angetriebenen Börsenaufschwung. Nun aber scheint Rotation das Thema an den Aktienmärkten zu sein. Ein Umschichten in die während der Hausse verschmähten Branchen könnte also eine sinnvolle Anlagestrategie darstellen.
Defensiv ist Trumpf
Zugegeben, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, allerdings lassen sich für die zu beobachtende Branchenrotation durchaus plausible Gründe finden. Schwächt sich das Wirtschaftswachstum ab, rücken in der Regel Branchen in den Fokus, in denen die Gefahr geringer ist, dass Gewinnprognosen reduziert werden oder Umsätze wegbrechen. Viele dieser so genannten defensiven Sektoren, die also von der Konjunktur eher unabhängige Gesellschaften umfassen, blieben in der Hausse auf der Strecke und weisen daher häufig günstige Bewertungskennziffern auf. Zu dieser Spezies zählen zum Beispiel Titel aus den Bereichen Telekommunikation. Diese glänzen in der Regel mit stabilen Cashflows und gut prognostizierbaren Ergebnissen. Dass diese Attribute zuletzt wieder mehr gefragt sind, zeigt unter anderem der Kursverlauf des STOXX Europe 600 Telecommunications Index. Der Gradmesser zündete Mitte Juni den Turbo und legte seither zweistellig zu. Zum Vergleich: Der Gesamtmarkt kam in diesem Zeitraum lediglich auf ein Plus von drei Prozent, beim STOXX Europe 600 Technology steht sogar ein Minus von fünf Prozent zu Buche. Das Wachstumspotenzial des Bonner Konzerns dürfte weiter anhalten. So hat sich die US-Tochter T-Mobile zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2028 zwölf Millionen Kunden für sein 5G-Mobilfunknetz zu gewinnen. Dafür sorgen soll unter anderem Künstliche Intelligenz, mit der die Netzqualität verbessert wird. Positiv entwickelt sich inzwischen auch das ehemalige Sorgenkind T-Systems. Der Auftragseingang der IT-Dienstleistungstochter erhöhte sich im zweiten Quartal dank eines florierenden Cloud- Geschäfts um beachtliche 28 Prozent.
Immobilien: Zinsen runter, Preise rauf
Eine ebenso dynamische Kehrtwende wie die Telcos schlug die Immobilienbranche zuletzt ein. Die Sektorvertreter blicken auf eine besonders düstere Zeit zurück. Eingeläutet wurde der Abschwung parallel zur ersten Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juli 2022, wodurch eine mehrjährige Nullzinsphase abrupt endete. Insgesamt zehn Mal schraubten die Währungshüter den Leitsatz bis September 2023 nach oben. Die Folge: Die Kredite wurden teurer, die Kapitalgeber nervös und die Preise bröckelten ab. Doch allmählich scheint sich die Skepsis wieder in Zuversicht umzukehren. Die EZB drehte im Juni erstmals den Geldhahn wieder auf, was sich schnell in anziehenden Immobilienpreisen niederschlug. Den Beleg dafür liefert eine Analyse der Wirtschaftsforscher IfW. Dieser zufolge erhöhten sich im zweiten Quartal die Preise von Eigentumswohnungen in Deutschland um 2,4 Prozent, Mehrfamilienhäuser kosten sogar um 4,4 Prozent mehr. Zum Jahresauftakt waren die Preise dagegen noch rückläufig. «Die Trendwende auf dem Immobilienmarkt ist eingeläutet», zeigte sich IfW-Forscher Jonas Zdrzalek zuversichtlich. Auch der Zwischenbericht des Immobilienriesen Vonovia macht klar, dass sich der rasante Wertverfall zuletzt deutlich verlangsamte. Musste der Konzern in der Vergangenheit den Wert seines Portfolios immer wieder nach unten korrigieren und dadurch Milliarden-Verluste hinnehmen, hellte sich zum Halbjahr die Lage auf. Bis Ende Juni hat sich der Bestandswert nur noch geringfügig um 1,7 Prozent verringert. In der Folge reduzierten sich auch die Verluste. Unter dem Strich stand ein Minus von 529 Millionen Euro, vor Jahresfrist waren es noch 4.1 Milliarden. Deutschlands grösster Wohnungskonzern bekräftigte daher zum Halbjahr seine Prognose. Für 2024 erwartet Vonovia ein bereinigtes Vorsteuerergebnis am oberen Ende der Spanne von 1.7 bis 1.8 Milliarden Euro. Dank des sinkenden Zinsniveaus traut sich das Unternehmen auch in Sachen Expansion wieder mehr zu. So haben die Bochumer angekündigt, die Tochter Deutsche Wohnen, an der sie bereits 87 Prozent halten, mit weiteren Aktienkäufen noch enger an sich binden zu wollen. Ziel ist ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, wobei den Aktionären der Deutsche Wohnen ein Abfindungsangebot gemacht werden soll. Dies wird zwar ohne eine Kapitalerhöhung nicht gehen, Marktteilnehmer reagierten trotzdem positiv auf die Nachricht.
China-Fantasie weckt Frühzykliker
Sinkende Zinsen sind die eine Seite, ein sich abschwächendes Wirtschaftswachstum die andere. Grundsätzlich reagieren Unternehmen aus konjunktursensiblen Branchen darauf besonders empfindlich. Daher wundert es nicht, dass die Chemie-Aktien seit geraumer Zeit das Nachsehen haben. Der STOXX Europe 600 Chemicals Index hinkt seit mehreren Jahren dem Gesamtmarkt hinterher, hat aber im September 2024 nun scharf nach oben gedreht und den Abstand deutlich verringert. Morgenluft wittert die Branche aufgrund der angekündigten massiven Konjunkturhilfen der chinesischen Regierung. Als typische Frühzykliker würde der Sektor als einer der ersten von einem Anspringen der Wirtschaft profitieren. Einen besonderen Schub bekamen die Aktien von BASF. Nicht nur die China-Fantasie beflügelt den Chemieriesen, auch die kürzlich vorgestellte neue Unternehmensstrategie kommt bei den Anlegern gut an. Der Plan sieht vor, die führenden Marktpositionen in den Kerngeschäften durch organisches Wachstum und wertsteigernde Akquisitionen zu stärken und Geschäfte zu bereinigen, die keine oder nur eine geringe Rendite erzielen. Dadurch möchte BASF profitabel wachsen und Wert für die Aktionäre schaffen. «Wir werden uns noch stärker auf die Cash-Generierung konzentrieren», erklärt Finanzvorstand Dirk Elvermann und führt weiter aus: «Wir werden die Kapitaldisziplin durch niedrigere Investitionsausgaben unterstreichen und unsere Kosteneinsparprogramme fortsetzen.» An die Anteilseigner sollen aus einer Kombination aus Dividenden und Aktienrückkäufen zwischen 2025 und 2028 mindestens zwölf Milliarden Euro zurückfliessen.
Ob die derzeit zu beobachtende Sektor-Rotation von nachhaltiger Dauer ist, muss sich noch zeigen. Daher könnte es Sinn machen, bedingt teilgeschützt in die neuen Favoriten zu investieren. Mit Renditeoptimierungsprodukten können Anleger bereits bei einer Seitwärtsbewegung attraktive Erträge erzielen und sind gleichzeitig vor moderaten Rückschlägen geschützt.