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Japans Börsenkorrektur und die Rolle von Carry Trades

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Vontobel Markets
29. Aug. 2024 | 6 Minuten

Das beliebte Reiseziel Japan hat nicht nur kulturell und für Touristen eine Menge zu bieten – auch aus Anlegersicht könnten sich in dem Land interessante Opportunitäten bieten. Die jüngste Korrektur der japanischen Indizes Nikkei® 225 und TOPIX, sowie die schwache Landeswährung Yen tun der Attraktivität Japans dabei keinen Abbruch. Bewährten Konjunkturindikatoren zufolge deutet in Japan mehr auf einen stärkeren Konjunkturzyklus hin als noch vor einigen Jahren, wovon die inländische Unternehmenslandschaft profitieren könnte.

Japan, eine der bedeutendsten Industrienationen der Welt

Mit seinen knapp 126 Millionen Einwohnern zählt Japan zu den 15 bevölkerungsreichsten Ländern der Welt. Der im Pazifik gelegene Inselstaat umfasst sage und schreibe 14 125 Inseln. Bei Japan handelt es sich um eine sehr hoch entwickelte Volkswirtschaft – so gehört es beispielsweise zu den bedeutendsten Industrienationen der Welt als Mitglied der Gruppe der Sieben (G7) und als Teil der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Im Frühling dieses Jahres ist Japans Wirtschaft wieder gewachsen. Von April bis Juni 2024 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf das Jahr hochgerechnet um 3,1 Prozent, was vor allem am starken Anstieg des inländischen Konsums gelegen hatte. Das Bruttoinlandsprodukt bezeichnet dabei den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die im betreffenden Jahr innerhalb der Landesgrenzen hergestellt wurden und dem Endverbrauch dienen. Dabei gilt es als bedeutender Indikator für die Wirtschaftskraft eines Landes. Das reale Bruttoinlandsprodukt hingegen berücksichtigt darüber hinaus noch die Preisentwicklung. Seine positive Veränderung wird auch als Wirtschaftswachstum bezeichnet. In absoluten Zahlen betrug das Bruttoinlandsprodukt von Japan rund 4.2 Billionen US-Dollar im Jahr 2023. Für das Gesamtjahr 2024 wird das Bruttoinlandsprodukt auf rund 4.1 Billionen US-Dollar prognostiziert. Laut Prognosen (von Statista) könnte das BIP von Japan zwischen 2024 und 2029 um insgesamt 834 Milliarden US-Dollar (+20,3 Prozent) zunehmen.

Historisches Bruttoinlandsprodukt Japans mit Prognose bis 2028

Japans Inflationsrate

Der Blick auf die Inflationsrate in Japan stimmt die Bank of Japan (BOJ) zuversichtlich. Die Inflationsrate bildet Veränderungen der Kosten für einen festgelegten Warenkorb ab, der eine repräsentative Auswahl an Waren und Dienstleistungen enthält. Im vergangenen Jahr 2023 betrug die durchschnittliche Inflationsrate in Japan rund 3,3 Prozent. Für das aktuelle Jahr 2024 wird die durchschnittliche Inflationsrate auf rund 2,2 Prozent geschätzt. Die Ära der Deflation scheint damit vorüber und die Ökonomen der BOJ blicken auf eine Inflation, die in Richtung der langfristigen Zielmarkte von 2 Prozent strebt. Die durchschnittliche Inflationsrate in Japan könnte laut Prognosen zwischen 2024 und 2029 kontinuierlich um insgesamt 0,2 Prozentpunkte sinken.

Historische Inflationsrate Japans mit Prognose bis 2028

Japans Leistungsbilanz

Eine weitere, wichtige Kennzahl für die Wirtschaftskraft eines Landes ist die Leistungsbilanz. Diese gibt Auskunft über die Transaktionen eines Landes (Waren und Dienstleistungen) mit dem Rest der Welt. Japan ist traditionell eine exportorientierte Volkswirtschaft, die seit Jahrzehnten (seit den 1980er Jahren) einen Leistungsbilanzüberschuss verzeichnet. Ein Überschuss in der Leistungsbilanz bedeutet, dass ein Land mehr exportiert, als es importiert, was höhere Forderungen gegenüber dem Ausland nach sich zieht. Ob die Erwartungen an den Leistungsbilanzüberschuss eintreffen oder nicht, kann Auswirkungen auf die Landeswährung haben. Wenn die Leistungsbilanz beispielsweise einen höher als erwarteten Überschuss ausweist, könnte das an den Devisenmärkten zu einem steigenden Kurs des japanischen Yen (JPY) führen. Umgekehrt würde der Kurs sinken, wenn ein höher als erwartetes Defizit ausgewiesen würde.

Historische Leistungsbilanz Japans mit Prognose bis 2028

Chronologie der vergangenen Börsenturbulenz

Die ersten Handelstage im August 2024 haben für Anleger aus vielen Teilen der Welt mit einem Hammerschlag begonnen. Rezessionsängste in den USA, die Gefahr einer Eskalation im Nahen Osten und die Auflösung in japanischen Yen finanzierter Carry-Trades waren zu viel für die Märkte und sie setzten weltweit zu einer breit angelegten Korrektur an. Fallende Kurse waren die Folge beim Nikkei® 225, Nasdaq®, DAX® oder auch an der Schweizer Börse. Zu Beginn der letzten Woche hat an der Tokioter Börse der Nikkei® 225 mit -12,4 Prozent den grössten Tagesverlust seit 1987 erlitten. Bereits am darauffolgenden Handelstag fand allerdings eine fast gleichstarke Gegenbewegung von rund +10,2 Prozent statt. Die japanischen Währungshüter haben umgehend reagiert und konnten mit einer Ansprache für die potenziell bevorstehenden Zinsschritte die Märkte beruhigen.  

In Folge der breit angelegten Korrektur und dem Ausverkauf bei den Aktien kletterte auch das Angstbarometer der Börse in Form des VIX® Index auf den dritthöchsten Stand aller Zeiten. Erst zur Wochenmitte beruhigte sich die angespannte Gemengelage an den Börsen insgesamt wieder. Anleger nahmen den sprunghaften Anstieg der Einkaufsmanagerindizes (PMI) in den USA sowie die Ansprache der Bank of Japan grundsätzlich als positiv auszulegende News auf.

Die Bedeutung von Carry Trades für den japanischen Yen

Die aktuelle Schwäche des Yen hat Auswirkungen auf das exportorientierte Land. Der Yen befindet sich zum US-Dollar auf dem schwächsten Niveau seit 1986. Der USDJPY ist eines der meistgehandelten Währungspaare der Welt, was vor allem auf die bedeutende Rolle der US-amerikanischen und japanischen Wirtschaft im globalen Handel und Finanzwesen zurückzuführen ist. Das Paar ist für seine Liquidität und relativ niedrigen Spreads bekannt. Der CHFJPY hingegen wird weniger häufig gehandelt, ist aber dennoch von Bedeutung. Der Schweizer Franken gilt als Safe-Haven-Währung, die in Zeiten von Marktturbulenzen oder Unsicherheit häufig an Wert gewinnt. Der japanische Yen gilt ebenfalls als Safe-Haven-Währung, was den CHFJPY zu einem interessanten Paar macht, das in Zeiten der Marktvolatilität häufig beobachtet wird.  

Japan hat in diesem Jahr mehrfach massiv am Devisenmarkt interveniert, um den schwachen Yen zu stützen, der Anfang Juli auf ein 38-Jahres-Tief abgesackt war. Die Stärke / Schwäche einer Währung sowie das Zinsumfeld bieten hierbei die Grundlage für sogenannte «Carry Trades». Bei Carry Trades handelt es sich um Zinsdifferenzgeschäfte, bei denen auf Termin (für einen Zeitpunkt in der Zukunft) in eine hochverzinste Währung («Target Currency») investiert wird, während diese Anlage mit einer geringer verzinsten Währung («Funding Currency») finanziert wird. Die Differenz zwischen diesen beiden Zinssätzen bezeichnet dabei den «Carry». Dieses Trading-Setup aus der Zinsdifferenz heraus funktioniert dann besonders gut, wenn kurz- und mittelfristige Wechselkursbewegungen das Geschäft nicht zunichtemachen. Auch eine möglichst geringe Volatilität an den Devisenmärkten gilt als eine der Grundvoraussetzungen für einen Carry Trade. In den letzten Jahren waren die Leitzinsen in Japan und in der Schweiz im internationalen Vergleich auf sehr niedrigem Niveau, wodurch sie häufig als Finanzierungswährungen genutzt wurden.

Wertet nun die Funding Currency auf oder die Target Currency ab, werden Carry Trades schnell unattraktiver. Dafür sorgte der Chef der Bank of Japan Kazuo Ueda, indem er einen restriktiveren Ton angeschlagen hatte. So liess er verlauten, dass weitere Zinserhöhungen auf dem Plan stehen würden, was viele Carry Trader dazu veranlasste, ihre Trades zu schliessen. Grund dafür dürften sogenannte Margin Calls sein, bei dem Trader für offene Positionen gefordert sind, Sicherheitsleistungen nachzuschiessen, weil sich Geschäfte ungünstig entwickelt haben. Denn durch die Aussage des Notenbankchefs wertete der zuletzt stark unterbewertete Yen deutlich auf und liess entsprechend die zu erzielende Rendite aus dem Zinsdifferenzgeschäft zum US-Dollar dahinschmelzen. In der Folge mussten Trader Aktien verkaufen, um Ihre Margin Calls zu erfüllen. Somit hatte die Auflösung von Carry Trade Positionen nicht nur Auswirkungen auf japanische Aktien bzw. den japanischen Leitindex, sondern auf die globalen Aktienmärkte. In Reaktion auf die Marktentwicklungen und dem starken Abverkauf und Kursverfall beim Nikkei® 225, erklärte der stellvertretende japanische Gouverneur der Notenbank Shinichi Uchida, dass Zinsen in einem derart fragilen und von Instabilität geprägten Marktumfeld nicht weiter erhöht werden würden. Diese Kommunikation vermochte es, die Märkte zunächst zu beruhigen.   

Wechselkurs vom Yen zum Dollar und zum Franken (USDJPY und CHFJPY) in den letzten 5 Jahren

Diversifiziertes Engagement in japanische Unternehmen

Im Sog des starken Abverkaufs asiatischer Aktien korrigierten auch die Kurse von Aktien aus verschiedenen Branchen. So verloren beispielsweise die Kurse japanischer Banken um mehr als 25 Prozent. Da diese allerdings im Rahmen der zurückliegenden Berichtssaison überwiegend solide Quartalsergebnisse vorlegen konnten, scheint der starke Wertverlust nicht komplett fundamental begründbar zu sein. Aufgrund der jüngsten Zinsanhebung durch die Bank of Japan von -0,1 Prozent auf + 0,25 Prozent sollten die Zinsmargen den Gewinnen der Bankaktien tendenziell eher zugutekommen.

Aber auch in anderen Sektoren könnten die japanischen Unternehmen vom globalen Konjunkturzyklus profitieren. Bei vielen der japanischen Blue-Chip-Unternehmen handelt es sich um Exportunternehmen mit zyklischem Charakter, die von anziehenden Konjunkturindikatoren und stabilisierten Einkaufsmanagerindizes profitieren könnten. Ausserdem haben sich die Bewertungen der japanischen Aktien seit dem Ende der deflationären Ära überwiegend attraktiv entwickelt. Die Governance-Initiative der Tokyo Stock Exchange hatte zudem dafür gesorgt, dass sich japanische Unternehmen mit der Notwendigkeit für Transparenz und vorausschauendem Reporting auseinandergesetzt haben, um ihre Kapitalallokation zu verbessern und vermehrt ausländisches Kapital auf den Plan zu rufen. 

Der amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley zu Folge gibt es vier Gründe, warum japanische Unternehmen trotz der jüngsten Börsenkorrektur interessant bleiben dürften: 1) der ökonomische Aufschwung Japans ist getrieben von steigendem Inlandskonsum und Investitionen, 2) Unternehmen planen anlegerfreundliche Reformen, die die Transparenz erhöhen sollten, 3) Aktienrückkäufe der Unternehmen sind auf einen 4 Mal so hohen Niveau, wie im Durchschnitt der letzten Dekade und 4) die japanische Regierung fördert Anreize für Investitionen in Inlandsunternehmen über die Aktienmärkte.

Für Anleger, die anstatt auf Einzelaktien ein breit angelegtes Engagement im japanischen Aktienmarkt vorziehen, hat Vontobel im November 2023 das Strategische Zertifikat auf den Vontobel Japan Equity Strategy Index lanciert. Das Strategische Zertifikat ermöglicht hierbei die Partizipation an der Wertentwicklung von mehr als dreissig im Index enthaltenen Unternehmen. Um sich für die Aufnahme in den Index zu qualifizieren, durchlaufen die Unternehmen ein quantitatives Multi-Faktoren-Modell. Im Rahmen dessen werden die Unternehmen hinsichtlich ihrer Attraktivität betreffend der Faktoren Bewertung, Qualität, Momentum und Grösse überprüft und entsprechend bewertet.

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