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Wachstum um jeden Preis oder Fokus auf unterbewertete Titel?

13. Juni 2022 | 4 Minuten

Seit Anfang dieses Jahres sind die Finanzmärkte in vielen Industrieländern unter Druck geraten. Von dieser Dynamik besonders betroffen waren bisher Unternehmen mit höheren Wachstumsaussichten, während sich Unternehmen mit unterbewerteten («Value») Eigenschaften besser halten konnten. Wachstumstitel reagieren gegenüber Zinsveränderungen empfindlicher, während stabile Erträge von Value-Titeln geschätzt werden.

Die Finanzmärkte geben im laufenden Jahr ein uneinheitliches Bild ab. Allgemein stehen bedeutende Indizes in Amerika, Asien und Europa im laufenden Jahr unter Druck. Allerdings gibt es auch einige Unterschiede. Beispielsweise hat der technologielastige Nasdaq-100® im bisherigen Jahresverlauf einen schweren Stand, während der britische FTSE 100 Index bisher die Verlust begrenzen konnte. Aus dem Vergleich der Sektoren geht hervor, dass Unternehmen im Energie- und Rohstoffsektor bisher eine positive Wertentwicklung verzeichnen konnten (Stand 10.06.2022).

Auch aus makroökonomischer Sicht gibt es gleich zwei wichtige Entwicklungen. Einerseits sind die Zinsen von Staatsanleihen seit Beginn des Jahres angestiegen. Andererseits liegt die Inflation in vielen Industrieländern über dem langjährigen Durchschnitt.

Zinsen spielen für Aktien durchaus eine wichtige Rolle, da sie fester Bestandteil der Unternehmensbewertung sind. Grundsätzlich sollte der Unternehmenswert den heutigen (Bar-) Wert der zukünftigen Erträge widerspiegeln. Dabei werden die zukünftigen Erträge diskontiert, wobei unter anderem der risikolose Zins (zum Beispiel 10-jährige Staatsanleihen) eingesetzt wird. Höhere Zinsen führen demnach zu einem tieferen Barwert und umgekehrt.

In den letzten Jahren ist das Thema Inflation eher selten ein Gesprächsthema gewesen. Doch im Laufe des Jahres 2020 zog die Inflation wieder an und dauert noch bis heute an. Beispielsweise lag die Inflation in der Eurozone für Mai 2022 im Vergleich zum Vorjahr bei 8.1%, wobei dies den höchsten Inflationswert seit der Einführung des Euros in 1999 markiert. In den USA betrug die Jahresinflation im Mai 8.6%, letztmals gemessen wurden solche Werte vor knapp 41 Jahren. Auch in der Schweiz steht die Inflation mit 2.9% höher, wobei ein solches Niveau letztmals vor knapp 14 Jahren erreicht wurde.

Um diese Situation zu entschärfen, können Zentralbanken auf ein geldpolitisches Instrument zurückgreifen. Mit der Festlegung des Leitzinses kann die Zentralbank die Geldmenge im Umlauf steuern. Die Leitzinsen wirken sich auf die Finanzierungskosten für Unternehmen und Konsumenten au und beeinflussen die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Die US-Notenbank hat die Leitzinsen dieses Jahr bereits erhöht. Die EZB hat angekündigt, erstmals im Juli 2022 die Leitzinsen anzuheben. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat noch keine Änderung des Zinsniveaus in Aussicht gestellt (Stand 10.06.2022).

Zwei Gegensätze: Wachstum oder Value?

Ein wichtiger Treiber der Inflation waren bisher die Energiepreise. Diesen Umstand konnten bisher Unternehmen im Energiesektor nutzen und widerspiegelt sich generell an deren Wertentwicklung an den Finanzmärkten.

Neben der Möglichkeit, verschiedene Sektoren zu vergleichen, lohnt sich auch ein Blick auf die verschiedenen Anlagestrategien. Zwei bekannte Ansätze sind Investitionen in «Wachstums» und «Value» Titel.

Wie der Name schon verrät, wird mit dem Wachstumsansatz versucht, Unternehmen zu identifizieren, die in der Zukunft ein überdurchschnittliches Wachstum gegenüber dem Markt aufweisen werden. Solche Unternehmen können aus Wachstumsmärkten hervorgehen aber auch durch Innovationen bestehende Industrien aufmischen. Für Investoren sind die Erwartungen an die zukünftige Geschäftsentwicklung entscheidend. In der Regel verfügen Wachstumstitel an der Börse über eine höhere Bewertung und tiefere Dividendenrenditen.

Value Investoren suchen nach Unternehmen, die unterbewertet sind. Generell befinden sich solche Unternehmen in etablierten Märkten, erwirtschaften stabile Erträge und verfügen über eine gute Marktposition. Eine Unterbewertung kann vorliegen, wenn ein Unternehmen ein niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) vorweist. Der Buchwert lässt sich vereinfacht aus Eigenkapital durch Anzahl Aktien im Umlauf berechnen. Danach kann der aktuelle Aktienkurs durch den Buchwert geteilt werden, um die Kennzahl zu erhalten. Das KBV kann dann als Vergleichsmass von Unternehmen in ähnlichen Branchen genutzt werden.

Da die Gewinne von Wachstumsunternehmen generell weiter in der Zukunft liegen, reagiert der Barwert solcher Titel empfindlicher auf die Veränderung des Zinsniveaus. Hingegen setzen die Erträge von Value-Titeln bereits heute oder in der nahen Zukunft ein, was die Auswirkungen einer Zinsänderung auf den Barwert abschwächt.

Vergleich

Eine simple Kennzahl für die Unternehmensbewertung ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Das KGV stellt den Aktienkurs mit dem Gewinn je Aktie ins Verhältnis. Die Dividendenrendite berechnet sich aus dem Verhältnis von Dividende je Aktie und Aktienkurs. Mit diesen beiden Kennzahlen können auch die Eigenschaften der Wachstums- und Value-Ansätze aufgezeigt werden.

Der Vergleich der verschiedenen Kennzahlen kann anhand der MSCI World Indizes aufgezeigt werden. Der MSCI World ist ein globaler Aktienindex, beinhaltet knapp 1'500 Aktien aus 23 Industrieländern und wird oft als Vergleichsindex genutzt. Die MSCI World Growth & Value Indizes bilden die Wertentwicklung der jeweiligen Anlagephilosophien ab.

Die drei Titel mit der höchsten Gewichtung im MSCI World Growth sind Apple, Microsoft und Amazon. Im MSCI World Value belegen UnitedHealth, Johnson & Johnson und Berkshire Hathaway die ersten drei Plätze.

Ein Vergleich der Kennzahlen veranschaulicht die unterschiedlichen Eigenschaften beider Ansätze. Das aktuelle, durchschnittliche KGV liegt beim MSCI World Growth bei 28.77 und beim MSCI World Value bei 14.64. Die durchschnittliche Dividendenrendite liegt beim MSCI World Growth bei 0.85% und beim MSCI World Value bei 2.93%. Das durchschnittliche KBV liegt beim MSCI World Growth bei 6.17 und beim MSCI World Value bei 2.05. Daraus lässt sich ableiten, dass Wachstumstitel generell eine höhere Bewertung aufweisen und Value-Titel für höhere Dividendenausschüttungen sorgen.

Die historische Wertentwicklung zeigt, dass die Renditen dieser Anlagestrategien je nach Beobachtungsperiode variiert. Seit der Lancierung dieser Indizes Ende 1974, liegt die jährliche Rendite des Value-Ansatzes leicht vor dem Wachstumsansatz. Wird die Entwicklung über die letzten fünf oder zehn Jahre verglichen, ist der Wachstumsindex vorne gelegen. Im laufenden Jahr haben beide Indizes an Wert verloren, allerdings konnte der Value-Index bisher den geringsten Rückgang verzeichnen.

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