Der weltweite Ölmarkt wurde durch einen starken Preisverfall infolge geopolitischer Entscheidungen, veränderter makroökonomischer Bedingungen und einer Strategiewende er OPEC+ erschüttert. Der Brent-Preis fiel um über sieben Prozent auf 69,60 USD/Barrel, WTI um 7,6 Prozent auf 66,21 USD – der grösste Tagesrückgang seit fast drei Jahren. Der Markt startete gut ins Jahr, befindet sich nun jedoch in einem Zustand der Unsicherheit. Fraglich ist, ob der Preisverfall einen anhaltenden Abschwung signalisiert oder eine Überreaktion mit Erholungspotenzial darstellt.
Erhöhte Produktion der OPEC+ verschärft den Preisverfall
Einer der wichtigsten Faktoren für den Rückgang des Ölpreises war die Ankündigung der OPEC+, die Produktion stärker zu erhöhen, als der Markt erwartet hatte. Im Vorfeld der Ankündigung wurde mit einer Produktionssteigerung von 122 000 Barrel gerechnet, doch diese Zahl wurde nun auf 411 000 Barrel korrigiert. Die Produktionserhöhung kann zum Teil als Disziplinierungsmassnahme angesehen werden, da einige Mitglieder die Produktionsquoten überschritten haben, aber auch als Reaktion auf die Unsicherheit der langfristigen Ölnachfrage.
Das Problem bei diesem Strategiewechsel ist das Risiko eines überversorgten Marktes. Wenn die Nachfrage nicht in gleichem Masse steigt wie die Produktion, könnte dies zu einem Abwärtsdruck auf die Ölpreise führen. Der Markt reagierte stark auf die Nachricht, da die OPEC+ in der Vergangenheit einen eher vorsichtigen Ansatz bei Produktionssteigerungen verfolgt hat. Letztlich signalisiert die Ankündigung, dass die OPEC+ den Marktanteil höher bewertet als die Preisstabilität, was zu einer anhaltenden Volatilität führen könnte.
US-Zölle geben Anlass zur Sorge um die weltweite Nachfrage
Durch die Angebotssteigerung der OPEC+ ist der Markt gleichzeitig mit einer potenziell geringeren Nachfrage konfrontiert. Präsident Donald Trump hat gegenseitige Zölle verhängt, darunter einen allgemeinen Mindestzoll von 10 Prozent auf alle Einfuhren und zusätzliche 20 Prozent bis 50 Prozent für Länder mit grossen Handelsüberschüssen gegenüber den USA. China, Mexiko und die Europäische Union gehören zu den Ländern, die am stärksten von den neuen Zöllen betroffen sind.
Obwohl der Energiesektor von den Zöllen ausgenommen wurde, bleibt die Unsicherheit bestehen. Eine weltweite Konjunkturabschwächung ist eine der grössten Bedrohungen für den Ölpreis, da ein geringeres Wachstum oft eine geringere Nachfrage nach Rohöl mit sich bringen kann. China, der weltweit grösste Erdölimporteur, wurde mit 54-prozentigen Zöllen belegt, was zu einer Verringerung der Industrietätigkeit und damit zu einem Rückgang der Erdölnachfrage führen könnte.
Sollte der Handelskrieg weiter eskalieren, könnten sich seine Auswirkungen auf den Markt noch verschlimmern. Die Märkte haben bereits negativ auf die gestiegene Unsicherheit reagiert, und die Anleger befürchten nun, dass die weltweite Ölnachfrage schneller zurückgehen wird als bisher erwartet. In Verbindung mit der Produktionserhöhung der OPEC+ könnte dies zu einem noch grösseren Ölüberschuss führen.
Unterbrechung der kaspischen Pipeline kann Angebot einschränken
Inmitten des Preisverfalls zeichnen sich neue Faktoren ab, die die Auswirkungen der von der OPEC+ geplanten Produktionssteigerung teilweise ausgleichen könnten. Das Kaspische Pipeline-Konsortium (CPC), eine der wichtigsten Exportrouten für Öl aus Kasachstan, ist nach einer Entscheidung der russischen Verkehrsbehörde Rostransnadzor gezwungen, zwei seiner drei Schwarzmeer-Frachtterminals zu schliessen. Dadurch könnten bis zu 800 000 Barrel pro Tag vom Markt genommen werden, was etwa einem Prozent des weltweiten Ölangebots entspricht.
Wenn dieses Problem anhält, könnte es als Gegenkraft wirken und die Ölpreise trotz der Produktionssteigerungen der OPEC+ stützen. Europa ist in besonderem Masse von dem durch CPC transportierten Öl abhängig, und eine längere Unterbrechung könnte zu regionalen Preissteigerungen führen. Auch wenn sich dies nicht unmittelbar auf die globalen Ölpreise auswirkt, könnte es den Markt stützen und den Abwärtsdruck verringern.
Wie könnte es weitergehen?
Die Ölpreise befinden sich derzeit an einem Scheideweg, da sich sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsfaktoren in unterschiedliche Richtungen bewegen. Die Produktionssteigerung der OPEC+ erhöht das Risiko eines Überangebots, während die Zollpolitik der USA Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Nachfrage schafft. Unterdessen könnten Unterbrechungen in der CPC-Pipeline einigen dieser Kräfte entgegenwirken und den Markt in einen Balanceakt versetzen. Sollte sich die Nachfrage, insbesondere aus China, weiter abschwächen, könnten die Brent-Rohölpreise weiter fallen. Umgekehrt könnten die Preise schnell wieder anziehen, wenn sich die Störung der Pipeline verschlimmert und die geopolitischen Risiken zunehmen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass den Anlegern eine Phase erheblicher Volatilität bevorstehen könnte. Da mehrere Faktoren den Markt in unterschiedliche Richtungen ziehen, könnte in den kommenden Wochen mit weiteren starken Preisschwankungen zu rechnen sein.